Frauenpolitik und Weltveränderung
«Sie sind also die kleine Frau, die diesen großen Krieg verursacht hat« – so soll Präsident Abraham Lincoln gegen Ende des amerikanischen Bürgerkrieges einmal die Schriftstellerin Harriet Beecher-Stowe begrüßt haben. Ein merkwürdiges Bild: Eine kleine Frau verursacht einen großen Krieg. Auf der einen Seite hat das Bild etwas Erschreckendes: Eine Frau ist die Ursache für Krieg? Auf der anderen Seite bringt mich das Bild aber auch zum Schmunzeln. Der amerikanische Präsident, der normalerweise für einen der wichtigsten Männer der Welt gehalten wird, gibt zu, dass eine kleine Frau etwas erreicht hat, was er selbst nicht vermochte.
Der Krieg, von dem hier die Rede ist, war nämlich der amerikanische Bürgerkrieg, an dessen Ende die Abschaffung der Sklaverei auch im Süden der Vereinigten Staaten stand. Harriet Beecher-Stowe hatte ein Buch geschrieben, Onkel Tom's Hütte, in dem sie Geschichten aus dem Leben der Negersklaven erzählt (so der Untertitel des 1851/52 erschienenen Fortsetzungsromans). Dieses Buch hatte die Gemüter aufgeschreckt und für heftige Diskussionen über die ethischen Hintergrund des Sklavenhaltergesellschaft geführt. Schon im ersten Jahr wurden 300.000 Exemplare des Buches verkauft, das, so ein Rezensent, »zur Kampfschrift der Nordstaaten gegen die Südstaaten« wurde. Und so hat also eine kleine Frau, die sich abends, wenn Mann und Kinder versorgt waren, an den Schreibtisch setzte und Geschichten aufschrieb, die Welt verändert.
«Die Liebe der Frauen zur Freiheit hat die Welt verändert« – mit diesem Satz beginnen wir auch die Flugschrift »Liebe zur Freiheit, Hunger nach Sinn«. Wir nennen sie im Untertitel »Flugschrift über Weiberwirtschaft und den Anfang der Politik«. Was heißt das: »Anfang der Politik?« – in den Diskussionen über die Flugschrift in den eineinhalb Jahren seit ihrem Erscheinen haben Frauen immer wieder die Frage gestellt: Und nun? Was sollen wir tun? Wir stimmen den einzelnen Kapiteln der Flugschrift zu, aber nun wollen wir auch aktiv werden? Wie machen wir nun Politik?
Hinter dieser Frage steht ein Missverständnis, bzw. eine alte und falsche Definition von Politik, allerdings eine, die wir hier zu lande von klein auf eingetrichtert bekommen haben. Politik »machen«, das heißt üblicherweise erst einmal: langweilige Dinge tun. Das fängt an beim Zeitung lesen und Tagesschau gucken, dann muss man sich irgendwelchen Gruppen und Initiativen, wenn nicht gar Parteien anschließen, dabei natürlich laufend Kompromisse machen, diplomatisch sein und die Sachzwänge berücksichtigen. Dies alles, so die landläufige Meinung, ist notwendig, wenn man ein politisches Ziel verfolgt, etwas durchsetzen will, zum Beispiel eine Gesetzesänderung. Irgend so etwas scheinen die Frauen sich vorzustellen, wenn sie fragen, wie sie denn nun Politik machen sollen, wie sie die Thesen der Flugschrift politisch umsetzen können.
Die »offizielle« Politik, so wie ich sie hier ein bisschen karikiert habe, bewegt sich in dem, was Hannah Arendt »Herstellungslogik« nennen würde, das heißt, politische Ziele sollen »hergestellt« werden, wie der Schreiber einen Tisch herstellt. »Wie sollen wir das politisch umsetzen« wird dann meistens gefragt, und schon ist man in eine Suche nach Mitteln verwickelt, die dann zwangläufig zu den langweiligen Veranstaltungen führt, von denen oben die Rede war. Das ist ein Punkt, auf den auch Andrea Günter immer wieder hinweist. Es gibt Ziele, Mittel zu deren Umsetzung, meistens heiligt der Zweck die Mittel, dazu geht man Zweckbündnisse ein usw. Die von euch Vita activa von Hannah Arendt gelesen haben, wissen, dass sie von diesem »Herstellen« das »Handeln« unterscheidet als eine andere Form des tätig werdens und eine, die dem Bereich des Politischen angemessener ist. Es gibt demnach einen Unterschied zwischen »politisch handeln« und »Politik machen«. Und das, worum es geht, ist, politisch zu handeln. Diesen Unterschied zu verstehen, hilft auch, das Unbehagen zu verstehen, mit dem Frauen sich auf dem sogenannten »politischen Parkett« bewegen.
Ich möchte dazu noch ein anderes Beispiel anführen, und zwar den Kosovo-Krieg im Frühjahr 1999. Damals ist eine Kontroverse wieder in die öffentliche Debatte gebracht worden, die lange als eine Besonderheit der Grünen galt: Die Auseinandersetzung zwischen sogenannten »Fundis« und »Realos«. Der Konflikt also zwischen denen, die ihre Ideale auch dann nicht aufgeben wollen, wenn sie Sach- und Machtpolitik betreiben, und denen, die bereit sind, die eigenen Wünsche den Erfordernissen der Realpolitik anzupassen. Dies war plötzlich nicht mehr eine interne Angelegenheit einer kleinen Partei, sondern ging quer durch die Gesellschaf: Gibt es einen Punkt, an dem auch ein überzeugter Pazifist zu den Waffen greifen muss? Und wann ist dieser Punkt erreicht? Der Punkt, an dem wir uns von den eigenen Wünschen und unserem Begehren verabschieden müssen, einfach weil die Realität (in diesem Fall in Gestalt des jugoslawischen Präsidenten Milosevic) keinen Raum dafür lässt?
Das Abwägen zwischen dem Wünschenswerten und dem Machbaren ist eine der alten Grundfragen der Politik. Die gesamte politische Ideengeschichte ist von der Frage durchzogen, wie das Wünschenswerte, das Ideale, mit der Realität, der Welt, so wie sie nun einmal ist, vermittelt werden kann. Man denke zum Beispiel an Machiavellis Verteidigung einer auch ins Skrupellose neigenden Machtpolitik, oder an Max Webers Gegenüberstellung von »Verantwortungsethik« und »Gesinnungsethik«, oder an die Auseinandersetzung zwischen den frühsozialistischen »Utopisten« und Marx, der ihnen einen »wissenschaftlichen« Sozialismus entgegenstellte. All diese Theorien gehen davon aus, dass es einen Widerspruch gibt zwischen dem Wünschenswerten und dem, was auch umsetzbar, möglich ist.
Ich weiß nicht, ob es euch auch so geht, aber ich habe mich in dieser Kontroverse noch nie so richtig wiedergefunden. Als Politikwissenschaftlerin musste ich mich mit diesen Thesen und Theorien ja sozusagen von Berufs wegen beschäftigen, aber ich konnte sie nur intellektuell nachvollziehen. Irgendwie blieben sie mir fremd, irgendwie war das Wünschenswerte und das in der Realität Umsetzbare für mich kein Widerspruch, und ich hatte den Eindruck, alle diese Theorien sind irgendwie konstruiert und hinken. Aber ich wußte nicht, wie ich dieses Unbehagen formulieren sollte, bevor ich die Theorie der Italienerinnen und vor allem die Texte von Luisa Muraro kennen lernte, auf die ich im Folgenden auch noch häufiger zurückgreife. Mit ihnen bin ich inzwischen der Meinung, dass dieses Unbehagen etwas mit meinem Frau-sein zu tun hat, oder genauer: Mit dem Sinn der sexuellen Differenz. Dass nämlich im Licht der weiblichen Differenz diese Trennung zwischen dem Wünschenswerten, der Utopie auf der einen Seite, und der Realität, den Sachzwängen auf der anderen, Unsinn ist.
Die Debatten um den Kosovo-Krieg haben besonders eindrücklich gezeigt, dass die von der herkömmlichen Politiktheorie entworfenen Lösungsvorschläge, wie die Vermittlung zwischen Wünschenswertem und Machbarem im Bereich der Politik gelingen kann, unbefriedigend sind. Wenn es wirklich hart auf hart kommt, scheint nur die Wahl zwischen Pest und Cholera zu bleiben – wie mans macht, ist es verkehrt. In dieser Logik – und das wurde in den Sonderberichten zum Kosovo-Krieg auch immer wieder bekräftigt – gibt es kein Verhalten, bei dem man nicht schuldig wird. Die Strategie der Nato, durch Bomben die Vertreibungspolitik Milosevics zu beenden, zeigte die Machtlosigkeit der Mächtigen dieser Welt: Weil sie dem Bösen nicht tatenlos zusehen wollten – man muss doch etwas tun! – wählten sie letztlich selber das Böse.
Der philosophische Hintergrund, vor dem sich die politischen Debatten zum Thema Wünschenswertes versus Mögliches sich abspielen, ist das Verhältnis von Subjekt und Objekt. Die subjektiven Wünsche, Hoffnungen, Utopien der Einzelnen stehen für das Ich, das eben wünscht, hofft, und Utopien entwickelt. Die Welt, und mit ihr die anderen Menschen, die darin leben, ist dagegen das Objekt, das der Verwirklichung dieser Wünsche, Hoffnungen und Utopien gewissermaßen im Wege steht. Hieraus erklärt sich auch die Tatsache, dass die Fundis in dieser Kontroverse meistens unterliegen. Denn es ist ja unbestreitbar ein maßloses und verrücktes Anliegen, die Welt dem eigenen, subjektiven Willen anpassen zu wollen. Der traditionelle Subjektbegriff zieht zwischen dem Ich, das etwas will, und der Welt, die ist, wie sie ist, eine scharfe Trennung. Eine oft gebrauchte Umschreibung dafür ist der Satz: »Es wäre ja schön, wenn die Welt so wäre, aber die Menschen sind halt nun mal so«.
Vielleicht ist das weibliche Subjekt aber gar nicht so, wie die herkömmliche Philosophie das Subjekt beschreibt, nämlich als autonomes Ich, das der Welt gegenübersteht. Und vielleicht ist die Realität auch gar nicht so einfach Objekt, sondern, wie Luisa Muraro sagt, immer schon »gegebene« Realität, also vermittelt? Weil wir nämlich mit der Welt, der Realität nicht in Kontakt kommen, indem wir plötzlich von irgendwoher auf die Erde plumpsen und uns mit unserer Umgebung dann irgendwie arrangieren müssen, sondern weil wir von einer Frau zur Welt gebracht wurden. Weil wir von Beginn an niemals allein und autonom der Wirklichkeit gegenüberstanden, sondern immer auch eine Vermittlung vorfanden, die uns in eine Beziehung zu dieser Welt setzte. Weil wir nicht getrennt von der Welt existieren und, was noch wichtiger ist, die Welt nicht getrennt von uns.
Das Bewusstsein der sexuellen Differenz ist für Muraro die entscheidende Voraussetzung für ein solches Denken: »In dem 'Ich bin eine Frau', dem Endpunkt und der Antwort des weiblichen Subjektivismus, ist zwar die Affirmation des Selbst enthalten ('Ich bin…'), aber nur zusammen mit seinem Untergang und der Geburt der Welt, in er Männer und Frauen leben, von denen ich eine bin ('… eine Frau').« Zu handeln und zu reden und dabei deutlich zu machen »Ich bin eine Frau« würde also bedeuten, die eigene Subjektivität und den eigenen Realismus gleichermaßen zu benennen. Weiblicher Subjektivismus sagt: »Ich habe die Welt so erlebt«, nicht »Ich will, dass die Welt so ist«. Das Verhältnis der Frau (des Subjekts) zur Wirklichkeit (dem Objekt) ist so bestimmt, dass das weibliche Subjekt sich als etwas wiedererkennt, das schon in der Welt existiert, mit der es sich beschäftigt. Weil aber das Subjekt ein Teil der Welt ist, kann es die Welt verändern, indem es sich selbst ändert.
Schauen wir uns noch einmal das Beispiel von Harriet Beecher-Stowe an, und stellen die Frage, wie sie politisch handelte. Sie hat keine Partei gegründet und auch kein politisches Manifest geschrieben, sondern eine Erzählung, einen Roman. Luisa Muraro ist etwas ähnliches im Bezug auf Teresa von Avila aufgefallen, über die sie schreibt, sie habe sich in der Ausarbeitung ihres Denkens nach der Vorgabe der Unterordnung unter die Gelehrten gerichtet, wenn es um die Interpretation der Doktrinen ging, sich selbst aber die Wahrheit der Erzählung von ihren Erfahrungen und der Manifestation ihres Glaubens in Form von Gebeten vorbehalten. Ein ähnliches Verhalten, so Luisa Muraro, habe sie auch schon an sich selbst beobachtet. »Manchmal«, erzählt Muraro, »spürte ich die Notwendigkeit, das Gespräch, das ich gerade führte, zu unterbrechen, um eine Begebenheit aus meinem Leben zu erzählen, die mir zuweilen als Beispiel diente, öfter aber als Vehikel für eine Idee, die ich nicht anders ausdrücken konnte«.
Das Mittel der Erzählung ist für Muraro eine Manifestation des »weiblichen Subjektivismus« – Frauen unterbrechen den »offiziellen« politischen Diskurs, indem sie Geschichten erzählen, Geschichten, die sie selbst erlebt haben, Geschichten von ihren Beziehungen, Erfahrungen, Geschichten aus der Nachbarschaft. Und indem sie von ihren Wünschen erzählen, ihren Visionen, ihren Vorstellungen davon, wie es gut und richtig wäre.
Dabei ist dieser weibliche »Subjektivismus« aber gerade nicht die Profilierung des Ich im Gegensatz zur Welt, sondern geht im Gegenteil meist einher mit einer Auflösung, einer Schwächung des Ich. Die Frauen erzählen nicht von sich selbst, sondern von ihren Erlebnissen, von ihren Erfahrungen, von ihren Beziehungen. Von ihren Visionen, Von dem, was sie irgendwo gehört haben. Besonders augenfällig ist diese Auflösung des Ich im weiblichen Subjektivismus natürlich am Beispiel Teresas mit ihren mystischen Visionen. Sie sagt ja ausdrücklich, nicht sie selbst habe das geschrieben, sondern sie habe, gewissermaßen in Trance, die göttliche Offenbarung aufgeschrieben. Aber auch bei Harriet Beecher-Stowe ist das der Fall: Sie schreibt nicht: Ich will eine Welt, in der es keine Sklaven mehr gibt, sondern sie beschreibt, wie Menschen in einer Sklavenhaltergesellschaft leben, und wie Beziehungen hier zerstört werden. Die ideale Welt, von der das weibliche Subjekt träumt, ist keine, die es vor seinem geistigen Auge selbst erschafft, sondern eine, die es »schaut« – um einen Ausdruck der Mystik zu gebrauchen, gerade weil es die Fähigkeit hat, vom eigenen Ich abzusehen und über sich selbst hinauszugehen. In der Regel geschieht das unausgesprochen, oft sogar unbewusst, dennoch haben kluge Frauen dies auch immer schon reflektiert und zum Ausgangspunkt ihres Denkens und Handelns gemacht, wie etwa Teresa von Avila.
Weiblicher Subjektivismus wäre also nicht eine Bestätigung des Ich im Gegenüber zu Welt, sondern die Ausprägung der eigenen Sicht auf die Welt, die Behauptung eines eigenen Ortes in der Welt. Eine scharfe Trennung von Subjekt und Objekt kann es nicht geben. Pazifismus oder Engagement gegen die Sklaverei ist dann keine moralische Haltung mehr, sondern eine, die aus der eigenen Betroffenheit herrührt: Man kann nicht gegen »die anderen« Krieg führen. Wenn es keine scharfe Trennung zwischen Subjekt und Objekt gibt, dann wirft man die Bomben immer auch auf sich selber.
Wie könnte nun eine Politik aussehen, die nicht auf dem Subjekt gründet? Eine der wesentlichen Eigenschaften des Subjektes, so wie es die traditionelle Philosophie versteht, ist ja Autonomie, das heißt ja wörtlich Selbstgesetzgebung. Politische Theorien beschäftigen sich mit der Frage, wie die Menschen sich Regeln und Gesetze schaffen, gerade weil sie davon ausgehen, als autonome Subjekte wäre das ihre Aufgabe: Die Gesetze und Regeln der menschlichen Gesellschaft zu machen, zu erfinden. Alle modernen politischen Theorien leiten die Legitimation der Gesetzgebung vom autonomen Subjekt ab. Ihr Gegenstand ist vor allem die Frage, wie das Verhältnis von Individuum und Allgemeinheit beschaffen ist, mit anderen Worten: Sie suchen Begründungen dafür, wieso der einzelne sich an staatliche, also nicht von ihm selbst gemachte Gesetze halten muss, wenn er doch ein autonomes Subjekt ist. So gehen etwa die Vertragstheorien davon aus, dass das autonome Individuum seine Autonomie, also sein natürliches Recht auf Selbstgesetzgebung, auf den Staat überträgt. Es ist dabei egal, warum es das tut, ob aus Furcht vor lebensbedrohlichem Chaos und dem Krieg aller gegen alle (Hobbes) oder aus Einsicht in die Vernünftigkeit dieses Vorgehens (Rousseau). Heute gilt allgemein die parlamentarische Demokratie als die einzig legitime Verfahrensweise für eine solche Souveränitätsübergabe. Aber das ist nicht entscheidend; eine demokratische Regierung unterscheidet sich in dieser Hinsicht nicht grundlegend von einem Monarchen: Das Recht auf Gesetzgebung des Staates leitet sich ab von der natürlichen Autonomie der Individuen, die ihm diese Souveränität übertragen haben.
Wenn das Subjekt immer schon ein Teil der Welt ist, kann es denn dann überhaupt selbst die Gesetze machen, nach denen die Gesellschaft funktioniert? Oder anders gefragt: Was passiert, wenn das Subjekt, das hier handelt, eine sie ist, ein weibliches Subjekt?
Diese Frage lässt sich am besten dort beantworten, wo sich die Schnittstelle zwischen Individuum und Allgemeinheit befindet: Im politischen Handeln des einzelnen Menschen nämlich. Diese Frage ist ein klassisches Thema der Politikwissenschaft. Denn natürlich kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen den Individuen und dem Souverän, der Regierung, den Gesetzen. Wie soll und kann sich ein Individuum verhalten, also politisch handeln, wenn es einen Konflikt gibt zwischen dem eigenen Begehren, den eigenen Wünschen, den eigenen Vorstellungen davon, was »richtig« ist, und dem, was die Machthaber, die Gesetze, vorschreiben? Wann endet die Gehorsamspflicht des Individuums gegenüber dem Staat? Gibt es ein Recht oder sogar eine Pflicht zum Widerstand?
Ich möchte hier nicht auf die verschiedenen Antworten eingehen, die die männliche Politiktheorie dafür gefunden hat, sondern eben überlegen, wie sich dieses Problem für ein weibliches Subjekt darstellt. Annarosa Buttarelli hat diese Frage am Beispiel einer mythischen Figur gestellt, die den Konflikt zwischen Individuum und Gesetz wie keine andere symbolisiert: Die Antigone des Sophokles. Um die Geschichte kurz zu rekapitulieren: Die Stadt Theben wird von Kreon regiert, Antigone ist seine Tochter. Eines Tages wird Theben von Feinden angegriffen, die ein Sohn Kreons, der Bruder Antigones, angeführt hat, doch sie werden geschlagen und der Verräter stirbt auf dem Schlachtfeld. Kreon verbietet bei Todesstrafe, dass sein Sohn beerdigt wird, doch Antigone begräbt ihren Bruder trotzdem heimlich bei Nacht.
In der herkömmlichen Interpretation gilt diese Tat Antigones als das Sinnbild des Widerstandsrechts gegen unrechtmäßig ausgeübte Staatsmacht schlechthin. Doch Buttarelli zeigt, dass es hier nicht um Widerstand im herkömmlichen Sinne geht, um eine politische Haltung, die sich gerade nicht aus der Kritik an dem schlechten Herrscher speist, sondern dass es im wesentlichen um Gehorsam geht: Um Gehorsam gegen eine Ordnung, die immer schon besteht. Antigone verteidigt sich Kreon gegenüber mit den Worten: »Ich ahnte nicht, dass deine gegebenen Ordnungen so mächtig wären, dass sie dir, der du sterblich bist, das Recht geben, die ungeschriebenen, aber unauflöslichen Gesetze der Götter zu überschreiten. Nicht erst seit heute, nicht seit gestern, sondern schon immer sind diese lebendig und niemand weiß, wo sie ihren Glanz hernahmen«. Das heißt: Nicht eine aufrechte, einsame Heldin stellt sich der Übermacht der falschen männlichen Ordnung entgegen, sondern ihr politisches Handeln gründet sich darin, dass sie sich selbst innerhalb einer bereits gegebenen Ordnung positioniert.
Die Idee, dass Gehorsam Ausgangspunkt für politisches Handeln sei, was dann lediglich im Kontext des herkömmlichen Politikverständnisses als »Widerstand« erscheint, findet sich auch bei Harriet Beecher-Stowe wieder. Es gibt in ihrem Buch »Onkel Tom's Hütte« eine Szene, wo der Sklave Tom, der durch widrige Umstände in den Besitz des üblen Plantagenbesitzer Legree geraten ist, »befördert« wird und den Befehl bekommt, in seiner Funktion als neuer Aufseher eine andere Sklavin auspeitschen soll. Als er sich weigert, interpretiert Legree das als Widerstand und weist darauf hin, dass Tom sein Eigentum sei. Tom erwidert darauf: »Meine Seele gehört Ihnen nicht, Master! Die haben Sie nicht gekauft – die können Sie nicht kaufen! Die ist gekauft und bezahlt von einem, der imstande ist, sie zu bewahren!«
Genau wie Antigone setzt Beecher-Stowes Romanheld hier also der Souveränität der Menschen eine Schranke: Kein Fürst kann Gesetze erlassen, kein Sklavenbesitzer Befehle geben, die diese Grenze verletzen. Das heißt: Politisches Handeln ist nicht gegründet im freien, autonomen Willen des Ich, das etwas anderes will, als die politischen Rahmenbedingungen jeweils zulassen, sondern politisches Handeln orientiert sich an einer schon vorhandenen anderen Ordnung, an einer höheren Ordnung. Es wird bestritten, dass die Menschen das absolute Recht auf Selbstgesetzgebung haben.
Woran aber erkennt man diese andere, höhere Ordnung? Woher kommt sie, wenn nicht aus dem Ich, dem freien, autonomen Willen? Diese Frage ist schwierig zu beantworten. Die meisten Denkerinnen benutzen hier religiöses Vokabular. Dass Teresa von Avila, eine Reformerin der katholischen Kirche, hier von Gott spricht, ist ja zu erwarten. Auch dass Harriet Beecher-Stowe, eine Pfarrerstochter, von Seele und Gott spricht, ist nicht überraschend. Antigone nennt die Gesetze, an denen sie sich orientiert, ebenfalls »göttlich«.
Es geht hier in der Tat um eine Transzendenz, um etwas Jenseitiges, das wir – mangels anderer Begriffe – ruhig einmal Gott nennen können. Wichtig ist, dass hier etwas ins Spiel kommt, das nicht den Regeln dieser Welt, dieser Realität, so wie sie nun einmal ist, unterworfen ist. Was ist notwendig, um diese Regeln und Ordnungen zu erkennen? Welches »Sinnesorgan« könnte das sein? Der Verstand sicher nicht. Der Verstand hängt mit dem Ich, der Vernunft zusammen. Häufig benutzen Denkerinnen hier das Wort »Seele«. Seele könnte dann verstanden werden, als der Teil von uns, der nicht das Ich, unseren eigenen Willen in den Vordergrund spielt, sondern der darüber hinausweist, der offen ist für das Transzendente. Gerade weil der weibliche Subjektivismus das Ich aufgibt, schreibt Luisa Muraro, hat er die Fähigkeit, »eine Welt auszuprobieren und zu genießen, die es nicht gibt, die Fähigkeit, sich aus der gegebenen Welt gewissermaßen hinauszulehnen und sie damit auszudehnen«. Dies ist der entscheidende Punkt: Politisches Handeln von Frauen, Frauenpolitik also sozusagen, muss sich aus der gegebenen Welt hinauslehnen, sie ausdehnen, ihre Grenzen erweitern, und das gelingt gerade, indem eben nicht das autonome Subjekt die Triebkraft dieses Handelns ist, mein Ich, mein Wille, das was ich mir an Utopien im Geist ausdenken kann, sondern weil ich – oder meine Seele – Orientierung findet in einer Transzendenz, in einem Jenseits, in Gott.
Dies ist meines Erachtens auch der eigentliche Grund, der hinter dem ausgesprochen großen Interesse von Frauen heute an neuen Formen der Spiritualität steckt. Es ist die Suche nach Wegen, politisch zu handeln.
Natürlich ist hier nicht der klassische Gottesbegriff der westeuropäischen männlichen Philosophie gemeint, die Gott immer als das schlechthin Andere definiert, als ontologische Distanz, wobei die Entfernung zwischen Gott und der Welt immer unüberbrückbarer wurde. Die menschliche Autonomie auf der einen Seite und die Andersheit Gottes bedingen sich in dieser Logik gegenseitig. Daher ist es auch verständlich, dass es meist abgelehnt wird, wenn religiöser Antrieb hinter politischen Handlungen steht: Wenn Gott absolut anders ist, dann ist religiös motivierte Politik, die Gottes Geboten folg, absolutistisch, tyrannisch, despotisch.
Aber die Erfahrung der weiblichen Differenz zeigt uns eine Möglichkeit, dass die Differenz Gottes auch noch anders verstanden werden kann: Die Erfahrung der weiblichen Differenz besagt, dass ich als Tochter von Beginn an mit einer Mutter in Beziehung stehe, mit einer also, der ich gleiche, und von der ich mich doch aktiv unterscheide. Durch die weibliche Differenz, die keine scharfe Subjekt-Objekt-Trennung kennt, bleibt auch die Differenz Gottes nicht länger absolut, und dennoch geht ihre Transzendenz nicht verloren. Das heißt: Im Licht der weiblichen Differenz ist die Geschichte nicht unumkehrbar, ist die Transzendenz nicht völlig unerklärbar und ist damit das Individuum nicht völlig souverän. Es besteht eine spielerische Instabilität in diesen Zuweisen und das bedeutet: Veränderung ist möglich, und zwar auch völlig unerwartete. In diesem Licht gewinnt auch das alte Bibelwort, das heutzutage eher als Werbeslogan missbraucht wird, eine neue Bedeutung: Nichts ist unmöglich, der, die glaubt. Bei Gott ist nichts unmöglich.
Dieses Wissen hätte vielleicht eine andere Strategie der westlichen Demokratien gegen den serbischen Despoten Milosevic ermöglicht: Veränderungen in Milosevics Verhalten waren nach den Maßstäben menschlicher Vernunft nicht zu erwarten, und mit dem Unerwarteten rechnete niemand. Deshalb griff man zu Bomben und Raketen, auch auf die Gefahr hin, dadurch alles nur noch schlimmer zu machen. Ein politisches Denken dagegen, das mit Einbrüchen von Transzendenz rechnet, das die Individuen nicht für völlig souverän hält, das dem Unerwarteten zumindest eine Chance einräumt, hätte sich nicht auf die Kriegslogik einlassen müssen und so zumindest die Möglichkeit für eine Wendung zum Besseren offen halten können – wohl wissend, dass es diese grade nicht in ihrer eigenen, instrumentellen Verfügungsgewalt hat.
In diesen Zusammenhang gehört auch ein entscheidender Irrtum der klassischen linken Tradition: Die Vorstellung, Revolutionen seien planbar, die in der absurden Vorstellung von Planwirtschaft und anderen antifreiheitlichen Maßnahmen des Marxismus-Leninismus geendet ist. Weibliches Begehren dagegen birgt ein Potenzial zur Welveränderung, gerade weil es nicht im Gegenüber zur Welt nach Selbstbestätigung strebt, sondern sich auf der Suche nach dem eigenen Ort in der gegebenen Welt befindet. Es geht von dem eigenen Begehren aus, das es der Welt nicht entgegensetzt, sondern sich im spielerischen Umgang mit ihr üben lässt. Es probiert Dinge aus, auch ganz verrückte, die dem Verstand als utopisch erscheinen.
In der neuen Ausgabe der Via Dogana beschäftigt sich Luisa Muraro erneut mit der Frage, wie es gelingt, die Grenzen dessen, was möglich ist, zu erweitern. Wichtig ist es, schreibt sie, Dinge passieren zu lassen, andere Dinge, solche, die nicht vorhersehbar sind, die sich nicht in den vorherrschenden Bahnen des normalen, offensichtlichen, dem, wie es immer war, bewegen. Das logische Herangehen der instrumentellen Politik ist es, zuerst »die Möglichkeiten zu schaffen«, um dann, anschließend, das, was man sich wünscht, umzusetzen. Dieser Ausdruck »die Möglichkeiten schaffen« – oder auch »die Voraussetzungen schaffen« – ist in der offiziellen Politik oft zu hören. Es wird viel Zeit und Energie darauf verschwendet, diese Möglichkeiten, Voraussetzungen zu schaffen (durch Gleichstellungsgesetze, Förderpläne, Gremienbeteiligung, Gesetzesvorhaben und so weiter) – nur um dann hinterher festzustellen, dass alles doch anders kommt, als man das geplant hatte. Doch diese Polit-Rhetorik hat zur Folge, dass dieses »Möglichkeiten schaffen« als die eigentliche Politik verstanden wird, während doch das politische Handelns solche Mittel gar nicht braucht.
Politisches Handeln tut etwas und genau dadurch macht es das, was es tut, auch möglich. Wie zum Beispiel Dorothea Erxleben, die erste deutsch Ärztin, die aus Quedlinburg stammt, wo ich kürzlich eingeladen war und in deren Geburtshaus ich übernachtete. Zum Abschied haben mir die Frauen dort eine Biografie über sie geschenkt, und auch da fand ich dann wieder ein Beispiel für weibliches politisches Handeln wieder: Mitte des 18. Jahrhunderts, als sie lebte, wollte sie Ärztin werden. Nein – sie wollte Kranke heilen, was sie auch gut konnte, weil ihr Vater, der Arzt war, ihr das beigebracht hatte und auch dafür gesorgt hat, dass gute Lehrer sie ausbildeten. Weil aber die örtliche Ärztekonkurrenz ihr Ärger machte, als sie auch nach dem Tod ihres Vaters – ohne offiziellen Abschluss – dessen Praxis weiterführte, beschloss sie, eben auch einen akademischen Doktorgrad zu machen. Und schrieb einen Brief an den König, dass er dem doch bitte zustimmen soll. Und so geschah es. Dorothea Erxleben wurde Ärztin, und damit war es also in Deutschland möglich, dass Frauen Ärztinnen mit Doktorgrad und allem drum und dran wurden.
Ein anderes Beispiel fand ich bei der amerikanischen Sozialistin und Feministin Victoria Woodhull, die 1872 als erste Frau für das Amt der Präsidentin der USA kandidierte, und über die ich gerade eine Biografie schreibe. Sie war der Meinung, politische Rechte stünden Frauen erst dann zu, wenn sie sie auch ausüben wollen. Ich habe das, als ich vor sechs, sieben Jahren anfing, mich mit ihr zu beschäftigen, für Quatsch gehalten – denn politische Rechte, dachte ich, stehen allen Menschen zu, unabhängig davon, wie sie sich individuell verhalten. Aber heute verstehe ich ein bisschen besser, was Victoria Woodhull damit gemeint hat: Die Frage, ob Frauen politische Rechte, wie das Wahlrecht haben, wird erst dann wichtig, wenn es Frauen gibt, die dieses Wahlrecht ausüben wollen. In ihrem Fall hieß das: Victoria Woodhull wollte es, und zwar wollte sie nicht nur wählen, sondern auch selbst kandidieren, und das hat sie gemacht. Sie forderte das Wahlrecht »für mich, und für diejenigen meines Geschlechts, die das wünschen« – mehr als nur eine Formulierung.
Es wäre weitere Überlegungen wert, was ein solches Politikverständnis bedeutet für die Diskussionen zwischen Frauen verschiedener Kulturen oder Religionen. Es könnte einen theoretischen Heben bieten, aus dem Vorwurf herauszukommen, westliche Frauen würden ihre Wertvorstellungen den anderen Frauen überstülpen, ein Vorwurf, den ich sehr berechtigt finde, und der uns doch derzeit häufig vor das Dilemma stellt, dass frauenpolitische Forderungen sich auf die Suche nach einem gemeinsamen Nenner begeben, der dann leider ziemlich klein und banal ist. Aber das wäre das Thema für einen weiteren Vortrag.
Politisch handeln heißt: Dinge tun, und dadurch zu bewirken, dass diese Dinge möglich sind. Das heißt, das unerwartete, unvorhergesehene, scheinbar unmögliche tun. Nicht erst überlegen, ob es möglich ist, oder nicht, sondern es auszuprobieren, zu experimentieren, es einfach mal zu versuchen. In Verhandlungen treten mit anderen Menschen, die mich bei dem, was ich tun will und was ich begehre, unterstützen können. An den König schreiben, wenn's sein muss. Aber nicht eine Petition, dass doch bitte die Frauen grundsätzlich studieren dürfen sollen, sondern dass ich, weil ich das jetzt will, studieren kann. Meinem Begehren, meinem Wunsch folgen. Und ihn in Kontakt mit der Welt finden, mit der gegebenen Realität, ihn kommunizieren, sich ausbreiten lassen, unabhängig davon, ob die Gesetze, Normalitäten, Regeln dieser Welt dies zulassen oder nicht. Mit ihnen den Konflikt suchen, wenn sie mir im Weg stehen, meistens aber überrascht feststellen, dass sie das gar nicht tun, weil sie mit etwas anderem und viel langweiligerem beschäftigt sind.
Luisa Muraro hat in diesem Zusammenhang kürzlich die Redewendung gefunden, dass Frauen von einer anderen Welt seien. Darüber ist in Italien derzeit eine Auseinandersetzung in Gange, weil andere meinen, es sei immer noch diese Welt, in der sich Frauen bewegen, wenn sie politisch handeln. Ich würde mich in diesem Streit eher Luisa anschließen, aber vielleicht ist das gar nicht wichtig. Das wichtige ist, wie Luisa bekräftigt, dass es jene andere Ordnung gibt, nennen wir sie die göttliche Transzendenz, nennen wir sie die symbolische Ordnung der Mutter, jedenfalls eine Ordnung, die höher und stärker ist, als diese Gesetze und Regeln und Normen, die wir hier vorfinden. Und weil es diese andere Ordnung gibt, und weil unsere Seele – oder wie auch immer wir das dafür zuständige Organ nennen wollen – in der Lage ist, diese Transzendenz zu erkennen. Weil unsere Begehren uns dazu antreibt, uns aus dieser, der vorhandenen Welt hinauszulehnen und die Grenzen ihrer Möglichkeiten auszudehnen. Weil wir weibliche Autorität und Vermittlung finden, so dass wir mit diesem Begehren nicht allein dastehen, was dazu führen würde, dass wir uns selbst für wahnsinnig oder verrückt halten. Luisa Muraro schreibt: »Wenn es nur eine einzige Welt gäbe, nämlich diese hier, und man nirgendwo eine symbolische Kraft finden würde, um eine neue zu erschaffen, dann müsste ich mich als Frau von der Differenz abwenden und auf meine Integration hin arbeiten. Oder eine Ausgeschlossene bleiben. Aber die mütterliche Beziehung hält für mich die schöpferische Vermittlung einer anderen Welt bereit. Das ist so wahr, dass sie sie schon geschaffen hat, indem sie mich mit der Politik der Frauen hat treffen lassen«.
Die Liebe der Frauen zur Freiheit hat die Welt verändert. Das ist der Beweis dafür, dass es tatsächlich funktioniert, dass das Unerwartete, Unmögliche geschehen kann, wenn wir politisch Handeln. Aber es funktioniert eben gerade nicht durch zielgerichtetes »Politik machen« der instrumentellen Vernunft. Der Erfolg ist nicht erzwingbar. In der Herstellungslogik, die sich immer die Mittel überlegt, um einen bestimmten Zweck zu erfüllen, können wir nur im Rahmen des Denkbaren, des Möglichen bleiben. Wir werden nicht wirklich etwas verändern.
Die Geschichte des weiblichen Beehrens als Potenzial der Weltveränderung ist aber natürlich nicht nur eine Erfolgsgeschichte, wie schon das Schicksal der Antigone zeigt. Sie wird von Kreon in eine Grotte eingesperrt, in der sie verhungern soll, und begeht dort Selbstmord. Viele Frauen starben auf dem Scheiterhaufen, in Gefängnissen, in Kriegen. Eine Frau, die den Orientierungen der eigenen Seele folgt, kann von der patriarchalen Kultur zum Tode verurteilt werden – sie muss es aber nicht, wie das Beispiel der Teresa von Avila beweist: Sie wurde von derselben patriarchalen Kultur heiligg esprochen. Die Urteile des männlichen Denkens sagen über die Qualität weiblichen politischen Handelns nichts aus. Die Zeitungsnachrichten sagen nichts aus über die Qualität einer Politikerin. Auch nicht die Urteile des »linken« Tradition die die Figur der Antigone zur Heldin erkoren haben, Harriet Beecher-Stowes Onkel Tom jedoch zum Feigling stempelten.
Eine politische Tat geschieht im Hören auf das weibliche Begehren, das sich, von Lob und Tadel der männlichen symbolischen Ordnung unbeeindruckt, an den »glänzenden Gesetzen« orientiert, die sich unserer Seele in Momenten gelungener Beziehungen zu anderen Menschen offenbaren. Ein wichtiges Kriterium dafür hat Annarosa Buttarelli vorgeschlagen. Weltveränderung, schreibt sie, »ist nicht die Frucht des Willens, des Werke schaffenden Bewusstseins, sondern das Wiederauffinden von Sinn«. Wenn mein Handeln – meine Tat, meine Worte, meine Weigerung, mein Schweigen – den Sinn der gegebenen Realität entdeckt und für andere, Frauen und Männer, sichtbar macht, dann habe ich politisch gehandelt. Und die Welt verändert.
Vortrag im Frauenzentrum Rüsselsheim am 29.3.2001
Verwandte Sites:
Die Liebe der Frauen hat die Welt verändert – über Frauenpolitik und das Ende des Patriarchats