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Frauen in der Pariser Kommune (1871)

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Video: 150 Jahre Pariser Kommune: Und was war mit den Frauen?

»Wenn die französische Nation nur aus Frauen bestünde, was wäre das für eine schreckliche Nation« – so soll ein Korrespondent der Londoner ›Times‹ die Ereignisse der Pariser Kommune kommentiert haben. Die ›heroische‹ Beteiligung von Frauen ist immer wieder erwähnt und untersucht worden seit Prosper-Olivier Lissagaray 1876 in seiner »Geschichte der Kommune von 1871« das Augenmerk darauf gerichtet hat:

Die Frauen gingen zuerst vor, wie in den Tagen der Revolution. Die Frauen vom 18. März waren durch die Belagerung gestählt – sie hatten eine doppelte Portion des Elends zu tragen gehabt – und warteten nicht auf ihre Männer. Sie umringten die Mitrailleusen und sprachen auf die Geschützführer ein: ›Es ist eine Schande! Was macht ihr hier?‹ Die Soldaten schwiegen. Dann und wann sagte ein Unteroffizier: ›Geht, gute Frauen, macht, daß ihr fortkommt!‹ Der Ton seiner Stimme war nicht rauh, und die Frauen blieben … Eine große Menge von Nationalgardisten mit erhobenen Gewehrkolben, Frauen und Kinder stürmen durch die Rue des Rosiers vor. [General] Lecomte sah sich umzingelt, er befahl dreimal, das Feuer zu eröffnen. Aber seine Leute blieben Gewehr bei Fuß. Als die Menge näherkam, verbrüderten sie sich, und Lecomte und seine Offiziere wurden festgenommen.

Die starke Präsenz von Frauen in der Pariser Kommune hat mehrere Ursachen. Bereits im vorigen Kapitel wurde die Neuorientierung in wichtigen Teilen der französischen Arbeiterbewegung weg von einem streng antifeministischen Proudhonismus hin zu einer offeneren Einstellung politisch aktiven Frauen gegenüber skizziert. Nachdem 1868 das Versammlungsverbot in Frankreich aufgehoben worden war, hatte es vor allem in Paris zahlreiche Konferenzen, Vorträge und Diskussionsveranstaltungen zur ›Frauenfrage‹ gegeben. Zu dieser ›Politisierung‹ der Frauen und der damit einhergehenden Sensibilisierung bisher männlich dominierter Gruppen kam aber ein zweiter wichtiger Aspekt hinzu: Den ganzen Winter 1870/71 über war die Stadt von preußischen Truppen belagert worden, was zu einem kaum zu bewältigenden Versorgungsnotstand geführt hatte. Um die Beschaffung von Nahrungsmitteln und Brennstoff zu organisieren, hatten sich zahlreiche Kooperativen und Nachbarschaftsgruppen gebildet, bei denen Frauen eine wichtige Rolle spielten und die zur Basis politisch orientierter Frauenorganisationen werden konnten. Außerdem setzte die extreme Ausnahmesituation die herkömmlichen Mechanismen außer Kraft, die sonst einer Mitwirkung von Frauen am öffentlichen Leben im Weg standen: In der Not zählte buchstäblich jede Hand, so daß Spekulationen über die ›natürliche‹ Beschränkung von Frauen auf bestimmte Rollen hinfällig wurden; außerdem ließ die konkrete Betroffenheit familiärer Lebensbereiche durch die politischen Ereignisse – die unmittelbar spürbare Wechselwirkung zwischen Krieg, Politik und Alltagsleben – keinen Spielraum für einen Rückzug von Frauen ins ›Private‹.

Schließlich kam noch der Umstand hinzu, daß die Frauen mit ihrer von Lissagaray geschilderten Aktion vom 18. März den Anfang der Kommune markiert hatten. Seit dem umstrittenen Waffenstillstand mit Preußen Ende Januar und dem klaren Sieg der Monarchisten bei der Wahl zur Nationalversammlung Mitte Februar war eine Kluft zwischen Paris und den Provinzen deutlich geworden: Paris war mehrheitlich gegen ein ›unehrenvolles‹ Kriegsende, die Provinzen wollten Frieden um jeden Preis. Ärger über Gesetze der neuen Nationalversammlung kamen hinzu: Die Entscheidung, den Sitz der Regierung nach Versailles zu verlegen, der Beschluß, die während des Krieges vorgenommene Aussetzung von Schuldenrückzahlungen und Mietzahlungen wieder aufzuheben, sowie die Einstellung der Soldzahlungen an die Pariser Nationalgarde, die nach dem Sturz der Monarchie ein halbes Jahr vorher gegründet worden war. Die Nationalgarde – seit Kriegsausbruch durch Freiwillige auf 350.000 Männer angewachsen und unterstützt durch Gruppen aus der Bevölkerung – verweigerte den Preußen gegen die Weisung aus Versailles den Einzug nach Paris. Als Regierungstruppen in der Morgendämmerung des 18. März versuchten, die verbliebenen Kanonen, die im Stadtteil Montmartre deponiert waren, aus der Stadt zu schaffen, waren es Frauen – so früh schon auf den Beinen, um Nahrungsmittel zu organisieren – die Alarm schlugen. Sie stellten sich zwischen die Kanonen und die anrückende Armee und verzögerten so den Abtransport bis zum Eintreffen der Nationalgarde. Die Skrupel der Soldaten, auf Frauen und Kinder zu schießen, bestärkten sie durch Diskussionen und brachten so einen Teil der regulären Armee dazu, zu den Aufständischen überzulaufen – genau diese Strategie hatte Virginie Barbet ein Jahr zuvor den Frauen beim Streik von Le Creuzot empfohlen.

Es wird in den nächsten Tagen kontrovers diskutiert, ob es ein größeres Blutvergießen zwischen der Pariser Nationalgarde und den Versailler Truppen verhindern könne, wenn massenhaft Frauen mit aufs Schlachtfeld zögen. In den folgenden Wochen übernahmen Frauen die Versorgung der kämpfenden Truppen und die Versorgung der Verwundeten. Lissagaray schreibt:

Auf den Straßen … ein Bataillon von hundert Männern, die ins Feld ziehen oder zurückkommen, einige Frauen die sie begleiten. … Diese Frau, die da grüßt oder mitgeht, ist die tapfere und wahre Pariserin. Die ekelhafte Androgyne, aus imperialem Kot geboren, ist ihren Verehrern nach Versailles gefolgt oder läßt sich von der preußischen Zeche in Saint-Denis aushalten. Die jetzt den Pflasterstein in die Hand nimmt, ist die starke Frau, leidenschaftlich, tragisch, die zu sterben weiß, wie sie liebt … die Arbeitskollegin will sich auch im Tod anschließen … Sie hält ihren Mann nicht zurück, im Gegenteil, sie drängt ihn in den Kampf, sie bringt ihm Wäsche und Suppe in den Schützengraben, wie vorher in die Werkstatt. Viele wollen gar nicht mehr zurückkehren, sondern greifen selbst zum Gewehr. Auf der Hochebene von Châtillon waren sie die letzten im Feuer … Am 3. April blieb die [Marketenderin] des 66. [Bataillons], die Bürgerin Lachaise, den ganzen Tag auf dem Schlachtfeld und pflegte die Verwundeten, fast ganz allein, ohne Arzt. Wenn sie zurückkehren, rufen sie zu den Waffen, … und hängen in der Bürgermeisterei des 10. [Arrondissements] glühende Proklamationen an: ›Es gilt zu siegen oder zu sterben. Ihr, die Ihr sagt: Was kümmert mich der Triumph unserer Sache, wenn ich meine Lieben verlieren muß! Wißt, daß es nur ein Mittel gibt, Eure Lieben zu retten: wenn Ihr Euch selbst in den Kampf werft.‹

Die Verhaftung von Louise Michel Es ist schwer zu sagen, wieviele Frauen sich an der Kommune beteiligten. Die Organisatorinnen eines geplanten Frauenmarsches nach Versailles – in Erinnerung an die Revolution von 1789 – reklamierten 10.000 Unterstützerinnen, eine Zahl, die Samuel Bernstein übernimmt. Eine Kommunardin, Béatrix Excoffon, erinnert sich an eine Frauenversammlung am 3. April mit 700 bis 800 Frauen an der Place de la Concorde. Elisabeth Dmitrieff schreibt, zu den Versammlungen ihrer Union des Femmes kämen 3000 bis 4000 Frauen. Die Gerichtsakten der Prozesse im Anschluß an die Kommune weisen vergleichsweise geringere Zahlen aus: Unter den 270 Menschen, die offiziell hingerichtet wurden, waren acht Frauen, unter den 410 zur Zwangsarbeit Verurteilten 29, unter den 7496 Deportierten 36. Langjährige Gefängnisstrafen bekamen 1269 Männer und 8 Frauen, zu schwerem Kerker wurden 64 Männer und 10 Frauen verurteilt. Diese Zahlen müssen vorsichtig interpretiert werden, da der Anteil der rechtskräftig verurteilten Kommunardinnen und Kommunarden gering war.

Schon bei den Kämpfen während der Einnahme der Stadt durch Versailler Truppen in der ›Blutwoche‹ vom 21. bis 28. Mai sind 20.000 bis 30.000 Tote auf Seiten der Kommune zu zählen, Tausende wurden ohne offizielles Urteil exekutiert. Frauen waren zusätzlich noch sexueller Gewalt ausgesetzt. Bei der Statistik zum Ausgang der Gerichtsprozesse fällt außerdem auf, daß der Frauenanteil bei den härteren Strafen – Todesstrafe, Zwangsarbeit und schwerer Kerker – höher ist als unter den Deportierten oder Inhaftierten. Ein relativ kleiner Anteil von insgesamt verhafteten Frauen gegenüber einer relativ höheren Strafe bei den Prozessierten könnte darauf hindeuten, daß es Frauen mit weniger exponierter Aktivität in der Kommune eher gelungen ist als Männern, ihrer Verhaftung zu entgehen.

  • Gefangene Kommunardinnen in Versailles Gefangene Kommunardinnen nach der Niederschlagung der Kommune

Auch die Art und Weise der Beteiligung von Frauen wies eine große Bandbreite auf. Viele Frauenorganisationen gingen auf Kooperativen zurück, die schon seit Jahren einen wichtigen Bestandteil der französischen Arbeiterbewegung ausmachten. Das Verhältnis der Kooperativbewegung zu Frauen war schwierig. Einerseits herrschte eine proudhonistische Ideologie vor, so daß viele Genossenschaften Frauen zunächst auszuschließen versuchten. Für das Jahr 1860 zählt Jules Simon 472.800 Männer und 69.770 Frauen, die in Kooperativen organisiert waren, wobei Frauen häufig zu schlechteren Bedingungen aufgenommen wurden. Andererseits beschäftigten sich die Kooperativen, wenn es sich nicht um reine Produktionsgenossenschaften handelte, jedoch mit Themen und Problemen, die traditionell in den Aufgabenbereich von Frauen fiellen, insbesondere Krankenkassen, Volksküchen oder Lebensmittelvertriebe. Zunehmend begannen Frauen daher, eigene Kooperativen zu gründen, ihre Zahl schätzt Simon für 1860 auf 140 in ganz Frankreich. Die Kooperativen, die traditionell anti-republikanisch waren und sich in den fünfziger Jahren mit dem Regime von Napoleon III. mehr oder weniger arrangiert hatten, mußten sich nach der Niederlage Napoleons politisch neu orientieren. Ihre anti-republikanische Grundhaltung machte sie auch für anti-bourgeoise Argumente empfänglich und so wurden sie nun zu wichtigen Stützen der Pariser Kommune. Dabei wirkte sich auch aus, daß Mitglieder der Pariser Internationale – insbesondere Eugène Varlin und Natalie Lemel mit der Lebensmittelkooperative »La Marmite«, oder auch die Internationale Victorine Brocher mit einer Bäckereigenossenschaft – sich schon seit Ende der sechziger Jahre darum bemüht hatten, der Kooperativbewegung ein politisch-sozialistisches Profil zu geben.

Die zweite Säule von Frauenorganisationen in der Pariser Kommune neben den Kooperativen bildeten die ›Widerstandskomitees‹, die meist von Lehrerinnen und Intellektuellen gegründet wurden, wie etwa die »Société des équitables de Paris« von Marguerite Tinayre. Die Widerstandskomitees hatten sich seit Kriegsbeginn in allen Stadtteilen gegründet, viele waren ausschließlich männlich oder gemischt, manche auch reine Frauenkomitees. Ihr Sinn war es, die Taktik und Strategie politischer Aktionen zu planen und zu diskutieren. Das bekannteste und einflußreichste Frauenkomitee war das von Louise Michel, André Léo, Sophie Poirier, Anna Jaclard und Béatrix Excoffon im 18. Arrondissement gegründete Widerstandskomitee Montmartre – diese Gruppe wurde zur wichtigsten Wortführerin für eine politische Einflußnahme von Frauen in der Pariser Kommune. Aber es gab noch zahlreiche andere Frauenklubs oder von Frauen dominierte Gruppen, die meisten von ihnen versammelten sich in besetzten Kirchen, zum Beispiel beim Klub in der Kirche Saint-Sulpice mit Paule Minck und Lodoïska Kawecka, in Saint Ambroise, in Notre-Dame de la Croix de Ménilmontant, in Saint-Christophe de la Vilette, in Saint-Bernard de la Chapelle oder in Saint-Lambert.

Schließlich gab es auch zahlreiche Versuche, die Frauenerwerbsarbeit zu unterstützen – etwa die Schneiderei-Werkstatt von Sophie Poirier mit 70 bis 80 Arbeiterinnen, oder die Krankenpflege zu organisieren – wie die von ›bürgerlichen‹ Frauen gegründete »Société de secours pour les victimes de la guerre«. Ein weiterer Punkt ist dann noch die Bereitschaft von Frauen zur militärischen Unterstützung der Kommune, ihre Bereitschaft, selbst zu kämpfen, die Versorgung der Nationalgarde durch Marketenderinnen und Krankenschwestern, und schließlich auch die moralische Unterstützung für die kämpfenden Männer. Die Bedeutung dieser Unterstützung war den Beteiligten offenbar bewußt:

Am 24. Mai sagte ein Föderierter das Wort zu den bürgerlichen Bataillonen, … das ihre Waffen zum Schweigen brachte: ›Glaubt mir, ihr könnt euch nicht halten; eure Frauen zerfließen in Tränen, und unsere weinen nicht einmal‹.

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Antje Schrupp: Nicht Marxistin und auch nicht Anarchistin – Frauen in der Ersten Internationale, Ulrike-Helmer-Verlag, Königstein 1999.

Frauen in der Ersten Internationale · die Union des Femmes · Feminismus und Antifeminismus in der Arbeiterbewegung

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