Liebe zur Freiheit - Hunger nach Sinn. Flugschrift über Weiberwirtschaft und den Anfang der Politik
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Ursula Knecht: Ich kann gar nicht ausdrücken, wie dankbar ich bin für diesen Text. Er spricht mir tief aus dem Herzen und ich kann jeden Abschnitt unterschreiben. Vor allem gefällt mir, wie Frauen nicht in der Opferrolle fixiert, sondern als denkende, handelnde, begehrende, spirituell aktive Subjekte und Persönlichkeiten begriffen, sichtbar gemacht und wertgeschätzt werden, und zwar weltweit... Wie schwierig es allerdings ist, selbst in frauenbewegten (oder sich als solche begreifenden) Zusammenhängen das „zivilisatorische Werk der Frauen“ anzuerkennen, ist mir gestern wieder einmal klar geworden. Und zwar in der Paulus Akademie Zürich, als es um die ‚Schweizerische Solidaritätsstiftung’ ging (ein Teil des Ertrags aus den nötig gewordenen Goldverkäufen der Nationalbank soll in eine Stiftung fliessen, die weltweit solidarischen Zwecken dient und zukunftsgerichtet sein soll... die SchweizerInnen aus der Mailingliste wissen wovon ich rede – im nächsten September gibt es dazu eine Volksabstimmung). Thema des Abends: „Mit wem soll die Schweiz solidarisch sein?“ Ich schlug vor: mit Müttern und Kindern weltweit. Schliesslich geht es um die Zukunft von uns allen und Mütter und Kinder sind dabei die weisesten und wichtigsten RatgeberInnen. Denkste! Der Widerstand kam v.a. von den Frauen in der Runde. „Mütter“ ist tabu (bzw. von den rechten Parteien okkupiert) und „Kinder“ klingt kitschig... Immerhin, in der Diskussion und als ich versuchte, ein wenig auszuholen und zu präzisieren, war da und dort Nachdenklichkeit bei einigen Frauen spürbar. Ja, es gibt noch viel zu tun, aufklären = sichtbar machen! Warum ist es so schwierig sich als GEBORENE zu begreifen? Vielleicht wäre Weihnachten ein Anlass darüber nachzudenken und dieses Ereignis zu feiern für jede/n von uns? Die ‚Symbolische Ordnung der Mutter’ von Luisa Muraro und die ‚Gebürtigkeit’ von Hannah Arendt im All-Tag, z.B. im ‚Stall zu Bethlehem' ankommen lassen mit Engelsschalmeien und Hirtenflöten... Hätte noch ein paar Ideen, den wunderbaren FKM-Text weiterzuschreiben, aber davon später. Für heute nacht alles Gute und nochmals danke den Verfasserinnen und Initiantinnen. (18.11.01)
Ina Prätorius: vielleicht habt Ihr Lust, die Entwicklung des FrauenKirchenManifests weiter zu verfolgen: Unter http://www.ekd.de/fsbz/welcome.htm/ findet Ihr nicht nur das Manifest, sondern auch die laufend aktualisierte Liste der Unterschriften. Inzwischen hat die erste der norddeutschen Bischöfinnen und der Vorstand des Schweizerischen Katholischen Frauenbunds unterzeichnet. Damit kommen wir in Sachen Prominenz wie auch in Sachen Verbände in Dimensionen, wie ich sie mir wünsche. Ausserdem sind Kurzmeldungen in der WOZ und in der TAZ und ein grosser Bericht im neuen Publik Forum erschienen. In der Dezembernummer der Zeitschrift "Junge Kirche" wird das Manifest vollständig abgedruckt, und zwar vor der EKD-Stellungnahme zu Afghanistan. Das Manifest ist inzwischen auf russisch, französisch, englisch und niederländisch übersetzt und soll auf der nächsten ch-nationalen Friedensdemo in Bern vorkommen (8.Dez.). Usw. usw. Ihr seht: Die Sache läuft gut. Weitere Unterschriften nimmt gern entgegen: mailto:fsbz.leistner@ecos.net. (23.11.019
Ina Prätorius.
Antje Schrupp: ich habe heute den Artikel in Publik Forum gelesen und hatte den Eindruck, du, Ina, musstest der Journalistin ziemlich viel erklären. Das Manifest ist ja ein Versuch, flugschrift-verwandte Ideen weit zu verbreiten und die Liste der Unterzeichnerinnen ist ja eindrücklich und lang. Mich würde mal interessieren, welche Erfahrungen du machst in der Vermittlung dieser Gedanken via "wir wollen was angesichts des Kriegs tun" an Frauen, die eigentlich doch (bisher?) anders dachten, eher in den Geleisen des Emanzipationismus nämlich (Britta Baas, die PuFo-Journalistin, gehört dazu. Zum Beispiel hatte ich ihr persönlich eine Flugschrift gekriegt und nie eine Antwort bekommen, und mein letztes Gespräch beim Kirchentag mit dem PuFo-Journalisten Wolfgang Kessler - heißt er so? - mündete dann in seinem Resumee die Thesen von Ina Prätorius zum Thema Wirtschaft seien doch "wenig originell") Also meine Frage: Verstehen die jetzt wirklich was, oder unterschreiben die einfach nur? (26.11.01)
Ina Prätorius: Ich finde auch, dass das PuFo besser das Manifest statt den Artikel abgedruckt hätte. Andererseits bin ich froh, dass es diesen Kontakt überhaupt gibt. Das Problem ist halt, dass frau sofort in diese Sphären das Halb- bis Miss- bis Unverständnisses gerät, sobald sie über einen Insiderkreis hinauswirken will. Letzteres will ich aber ganz dezidiert, und deshalb nehme ich solche Sachen zur Zeit bewusst in Kauf. Die Diskussionen müssen dann halt auch noch inrgendwann laufen. Ja, der emanzipatorische Denkansatz mit all seinen Folgeproblemen von wegen "gegen..." und "wütend..." und "anti..." etc. ist sehr hartnäckig. Auch in der TAZ und in der WOZ stand die Manifestmeldung unter Titeln wie "Frauen gegen den Krieg". Und interessanterweise bekomme ich gerade von älteren Frauen häufig die Reaktion, das Manifets sei "zu wenig aggressiv" oder so. Interessanterweise stimmt dieses dominante Anti-Gefühl, wie ich jetzt merke, wirklich ganz und gar nicht mehr mit meinen Gefühlen als Schreiberin überein. Ich bin - auch "ganz innen" - nicht mehr in erster Linie "gegen den Krieg", sondern für die Frauen, die in Afghanistan Aufbauarbeit machen, zum Beispiel. Die Erfahrung mit dem Manifest finde ich aber gerade wegen dieser Reibereien interessant. Und es würde mich interessieren, ob hier auf der Liste irgendwelche Leute schon Erfahrungen gemacht haben, wie sich die Debatten mit den emanzipatorisch denkenden Leuten sinnvoll führen lassen, gerade auch in einer grösseren Oeffentlichkeit. (27.11.01)
Ina Prätorius: Noch ein Nachtrag zum Thema PuFo-Artikel: In einem Telefongespräch mit Britta Baas (der Autorin des Artikels) sagte sie mir, es käme eigentlich weniger drauf an, w i e eine Initiative in den Medien vorkäme, sondern nur d a s s. Diese Behauptung habe ich schon des öfteren von Medienleuten gehört, sie scheint in diesen Kreisen eine Art Dogmencharakter zu haben. Das geht mir auf den Wecker, denn wenn wir schon vorkommen, dann wäre es doch auf jeden Fall besser, wenn wir so vorkämen, dass es auch dem "Geist" unserer Initiative entspricht. Oder braucht es diese aggressiven Töne, damit die Leute die Meldungen überhaupt lesen? Das glaube ich irgendwie nicht. Was meint ihr? (27.11.01)
Ursula Knecht: Ich habe den Artikel von Britta Baas im PuFo auch gelesen (nachdem ich zuvor das ganze PuF nach dem Manifest vergeblich durchforstet hatte…). Finde den Artikel eigentlich ganz manierlich. Vielleicht hat Frau Baas ja etwas gelernt aus den Gesprächen mit Ina und nimmt gelegentlich die Flugschrift zur Hand, die du Antje ihr geschenkt hattest... Es soll ja vorkommen, dass wir aus Gesprächen lernen. Ich persönlich z.B. lerne aus guten Gesprächen (Briefe inklusive, schreiben und erhalten) ebenso viel oder sogar mehr als aus Büchern. Und das würde auch dem Sinn der Flugschrift entsprechen – denke ich – dass sich durch gelingende Beziehungen (zwischen Menschen und zu den Dingen) die Welt verändert. Ich merke auch grad, dass ich – ausser dass ich die Flugschrift gerne und oft verschenke – ihre Inhalte v.a. in Gespräche und Diskussionen einfliessen lasse. So geht es mir auch mit dem Manifest, z.B. dass ich ähnlich wie Ina in Gesprächen für die Frauen und nicht in erster Linie gegen den Krieg argumentiere oder einstehe. Oder meine Briefe beende mit dem Zitat der wunderbaren Schlusssätze des Manifests „.......im Vertrauen auf jene Macht, die in und aus Beziehungen erwächst. Wir werden auch weiterhin verschwenderisch damit umgehen.“ sozusagen als ‚mein Programm’.... Aber natürlich brandet auch mir – v.a. aus linken, autonomen, christlichen, sog. kritischen Medien das NEIN entgegen. Was tun? (27.11.01) weiter
Antje Schrupp: ich sehe das ganz genau wie du, Ina, ich bin auch eine, die lieber zu viel als zu wenig an die Öffentlichkeit geht und ich finde, unter'm Strich zeigt auch der PuFo-Artikel, dass das richtig ist - irgendwie fängt die Journalistin an, nachzudenken, und das ist ja auch gut so. Die Gefahr, völlig verdreht wiedergegeben zu werden, ist natürlich immer da, aber das Risiko sollte man eingehen. Was mich interessieren würde, wäre, dazu zu einem Erfahrungsaustausch zu kommen - welche Einwände kommen immer usw. Der Hinweis auf "zu wenig aggressiv" ist für mich schonmal hilfreich, er erinnert mich übrigens an die Vorwürfe gegen die feministischen Sozialistinnen aus dem 19. Jahrhundert, denen auch immer vorgeworfen wurde, sie seien zu wenig "radikal" - von den Feministinnen wie von den Sozialisten, beides mal natürlich aus anderen Gründen. Die Frage, die ich mir konkret stelle ist: Wie viel Inhalt und Tiefe kann man Frauen zumuten, die sich - aus unterschiedlichsten Gründen - nun plötzlich für neue Denke interessieren, aber sich zum ersten Mal da rantasten? War meine Zusage, bei dieser Podiumsdiskussion mit zu machen, etwas voreilig - angesichts der Einladung, die ich inzwischen gesehen habe ("Frauenbündnis gegen Krieg, Rassismus und Diskriminierung") - muss ich sagen, bei so einem Titel hab ich nichts zu suchen? Oder liegt da eine Chance drin? Ich glaube, es liegt eine drin - wie kann man sie am besten nutzen? (27.11.02)
Ina Prätorius: (Nicht nur) auf der FrauenKirchenListe machen wir Manifest-Autorinnen zur Zeit die Erfahrung, die Ihr Flugschriftautorinnen auch gemacht habt: Es kommen viele Wortmeldungen, die sagen, das Manifest "zementiere traditionelle Rollenvorstellungen", "sei kränkend für Männer" und überhaupt "irgendwie altmodisch". Zur Zeit kommen diese Stimmen - logischerweise - von den Frauen, die sich jetzt dafür rechtfertigen (zu müssen meinen), dass sie kein Geld für die Publikation geben. Ich trags mit Fassung und bin dabei sehr froh um die Debatten, die wir hier auf der Liste schon hatten um diese Problematik der Rezeption des Differenzansatzes. Und übrigens finde ich, wie Du Ursula, dass es sehr spannend, wenn auch anstrengend wird, sobald es ganz konkret ums Geld geht. Da kommt plötzlich eine ganz neue Verbindlichkeit ins Spiel. Und ausserdem merke ich, dass die Verschiedenheit von Frauen, die im Geld-Haben oder Nicht-Geld-Haben besteht, ganz schwierig auszuhalten ist. Für die einen, die sich als Nichtgeldbesitzerinnen blöd vorkommen, aber auch für diejenigen, die, wie ich, neuerdings offen dazu stehen, dass sie zu den Geldbesitzerinnen gehören. (30.11.01)
Antje Schrupp: Ansonsten wollte ich euch noch kurz berichten, wie die Podiumsdiskussion zum Thema Krieg und Afghanistan verlaufen ist (meinen Beitrag hab ich übrigens inzwischen ins Internet gestellt www.antjeschrupp.de/terror_und_krieg.htm) - nämlich überraschend gut. Es waren ungefähr 70 Frauen da, überwiegend aus der "linken" Szene, auch viele Frauen aus Iran oder Afghanistan, und die haben sehr interessiert zugehört und waren teilweise richtig begeistert, hinterher habe ich ganz viele Flugschriften verkauft. Ich glaube, das wäre vor fünf Jahren noch ganz anders verlaufen. Es gab auch gar nicht die Kritik, das wäre nicht "radikal" genug oder so. Überhaupt habe ich inzwischen die Erfahrung gemacht, dass das Differenzdenken immer dann, wenn ausländische Frauen dabei sind, viel leichter zu vermitteln ist, vielleicht weil sie die "Gleichheitskultur" noch nicht so intus haben. Die Moderation hatte übrigens die Leiterin der Frauenredaktion im Hessischen Rundfunk, und die hatte - das merkte man an ihren Beiträgen und Nachfragen - vielleicht die größten Schwierigkeiten, sich auf meine Thesen einzulassen, aber immerhin hat sie mich dann 2 Wochen später zu einer Diskussion ins Studio eingeladen. Dabei hatte ich allerdings größere Schwierigkeiten, denn etwas in einer halben Stunde zu sagen oder in einem 5-minütigen Interview ist eben noch mal was anderes. Ich hab mir das Band bisher nicht noch mal angehört, aber ich hab das Gefühl, nicht so gut "rübergekommen" zu sein - vielleicht sollte man das nicht mehr machen, wenn man nur so kurz Zeit hat. Habt Ihr da Erfahrungen (du vielleicht, Ina) wie es geht, etwas so Komplexes wie etwa das Manifest in drei, vier Sätzen und zwei Nachfragen darzustellen? (28.12.01)
Ina Prätorius: Das erlebe ich jetzt öfter, wenn ich z.B. das Manifest Medien- oder anderen Leuten zu verklickern versuche. Sie finden es interessant, meinen aber dann plötzlich, dass ich Sprünge mache und Sachen sage, die "doch gar nicht zum Thema gehören". Das zeigt wohl an, dass ich mich in einer anderen Ordnung bewege, in der die Dinge anders zusammen gehören als vorher. Die Erfahrung, dass Frauen aus nichtwestlichen Ländern das viel schneller kapieren, hab ich auch schon gemacht, z.B. schon anno 1996 nach meinem Weiberwirtschaftsvortrag an der Europäischen Frauensynode in Gmunden. Da meinte eine Afrikanerin, das sei der erste Vortrag einer westlichen Feministin, nach dem sie sich nicht klein und hässlich, sondern gut und gross gefühlt habe. Ich finde es gut, wenn wir uns solche Erfahrungen mit der Vermittlung der anderen Ordnung gegenseitig kommunizieren. Das hilft viel und verhindert, dass frau sich doch plötzlich wieder mal saudumm vorkommt, was mir auch hin und wieder passiert, wenn eineR nichts verstehen will. (29.12.01)
Ina Prätorius: nachdem Google und Yahoo (meine beiden Routine-Suchmaschinen) lange keine Anzeige zu "FrauenKirchenManifest" gebracht haben, gibt es jetzt plötzlich massig Links: TAZ, WOZ, Antje Schrupp, Hulda, Frauennetz Schleswig-Holstein, Nordelbien-Seite, Bistum Basel, FSBZ, Publik Forum, Flugschrift usw. Das liegt wohl daran, dass sogar die superschnellen Suchmaschinen ihre Zeit brauchen, stimmt's? Jedenfalls macht es Spass zu lesen, wo wir überall vorkommen. Am 28.12. hat nun auch das "Neue Deutschland" den kompletten Text des Manifests abgedruckt (S. 14 unter dem Titel "Respekt und Geduld als Weg zum Frieden"). Das ist - nach unserer Lokalzeitung "Der Toggenburger" - die zweite Tageszeitung, die das Manifest im redaktionellen Teil vollständig gebracht hat. Irgendwie ist es ja schon interessant, wie jetzt die "Linken" (WOZ, TAZ, Neues Deutschland) plötzlich anbeissen, während uns die Linksliberalen (Tagi, FR etc.) nach wie vor die kalte Schulter zeigen. Wie ist das zu interpretieren? Und wie ist es zu ändern? (obwohl: irgendwie stört es mich gar nicht so besonders...) Darf die FR nicht bringen, was das "Neue Deutschland" bringt? Und was bedeutet es, dass die denkenden Kirchenfrauen in der säkularen Medienszene jetzt ganz links einsteigen? Was bedeutet es z.B. im Zusammenhang der derzeit aktuellen Habermas-Werte-Religionsdebatte? Viele interessante Fragen. Ich bin richtig gespannt, was 2002 uns bringt, nachdem das Manifest (und anscheinend auch Auftritte z.B. von Dir, Antje, und mir) unserem Denken wieder ein bisschen mehr Raum in der Oeffentlichkeit geschaffen hat. Da kann ich nur sagen: Weiter so! (31.12.01)
Ich bin ja eher
eine sehr stille Mitleserin hier und nun poste ich auch noch zur
"Eigenwerbung". Aber es ist so, daß ich die www.powercat.de
betreibe - einen (oder den?) deutschsprachigen Webkatalog für Frauen. Und ich fände
es Klasse, wenn Ihr Eure Seiten, insbesondere wenn es um spezielle
Frauen-Projekte geht, in den entsprechenden Rubriken anmelden würdet. Denn DER
Sinn der Powercat ist eigentlich, daß derartige Projekte gerade dort speziell
von JournalistInnen z.B. gesucht werden. Kommerziell gesehen ist die Powercat
sicher ein Flop, aber mir macht immer wieder Spaß zu sehen, daß zumindest die
"Presse" sie als Fundgrube |