Evas Irrtümer
Eva Herman: Das Eva-Prinzip. Für eine neue Weiblichkeit. Pendo, 2006, 18 Euro.
So, jetzt habe ich es gelesen, das Werk, das seit Wochen schon für Stürme im medialen Wasserglas sorgt. Es ist ein bisschen schwierig, ein Buch zu bewerten, über das man schon vor Erscheinen so viel Kritik und Häme gelesen hat. Und in der Tat ist das Skandalbuch der ehemaligen Tagesschau-Sprecherin Eva Herman ziemlich daneben. Eigentlich halte ich es gerne so, dass ich nicht lesenswerte Bücher lieber gar nicht rezensiere, denn jede Rezension, auch ein Verriss, lenkt ja doch die Aufmerksamkeit darauf. Aber in diesem Fall mache ich mal eine Ausnahme. Denn erstens kommt Eva Herman ja in jedem Fall der Verdienst zu, dass in Deutschland wieder über den Feminismus diskutiert wird. Und zweitens fehlen mir in dem ganzen Medienrummel ein paar ganz entscheidende Aspekte. Hier also, kurz gefasst, meine Übersicht über »Evas Irrtümer«:
Irrtum Nummer 1: Eva Herman präsentiert sich als Antifeministin. Sie ist aber keine.
Um gegen etwas sein zu können, muss man es zumindest in Ansätzen kennen. Von Feminismus hat Eva Hermann aber keine blasse Ahnung. Zwar schreibt sie dauernd von »den Feministinnen« und »dem Feminismus«, meint damit aber nur eine (auch noch ziemlich verzerrte) Version der Ideen von Alice Schwarzer. Nun ist der Feminismus aber eine ziemlich komplexe Bewegung. Es gibt nicht nur Gleichheitsfeministinnen, sondern auch Differenzfeministinnen, Matriarchatsfrauen, historische Frauenforscherinnen, es gibt weißen, schwarzen, bürgerlichen, proletarischen, akademischen, alltagsbezogenen, wissenschaftlichen, intuitiven, theoretischen, praktischen und noch jede Menge andere Versionen von »Feminismus«. Von all dem hat Eva Herman aber offenbar noch nie etwas gehört. Oder doch: Manchmal zitiert sie sogar Feministinnen, die den Feminismus (oder das, was Herman darunter versteht) kritisch sehen. Doch statt das zum Anlass zu nehmen, ihre Vorstellung von Feminismus zu überdenken, führt sie sie als Kronzeuginnen ins Feld. Ganz schön perfide.
Irrtum Nummer 2: Eva Hermann will einen Tabubruch begehen. Liefert aber nur Altbekanntes.
Weil sie die Emanzipation an den Pranger stellt, fühlt sich Eva Herman als mutige Heldin gegen den Mainstream des Gleichheitsdenkens. Doch was sie schreibt, ist ja nichts Neues. Feministinnen-Bashing gab es schon immer und es hat sich auch schon immer gut verkauft. Hermans antifeministischer Gestus ist zwar gut fürs Marketing, weil er wie ein Tabubruch aussieht. Das täuscht aber nur über die Tatsache hinweg, dass ihr Buch wenig Substanzielles enthält und schon gar keine neuen Ideen.
Irrtum Nummer 3: Eva Herman will die Mutterschaft aufwerten. Sie tut aber das Gegenteil.
Dass das mütterliche Werk in unserer Kultur traditionell abgewertet und gering geschätzt wird, ist absolut richtig (und für Feministinnen übrigens nichts Neues, sondern ein ständiger Gegenstand ihrer Kritik am patriarchalen »System«). Diese Abwertung geschah, indem die Mutterschaft – also die Tatsache, dass Menschen in Form von Generationen zusammenleben – immer aus dem Bereich des Politischen verbannt und in eine biologische, vorpolitische Sphäre von so genannter Weiblichkeit eingesperrt wurde. Genau das tut auch Herman. So kommen wir aus dem Dilemma nie heraus.
Irrtum Nummer 4: Eva Herman will die Welt verändern. Und zementiert sie in Wahrheit.
Indem sie Frauen auffordert, sich auf ihre angeblich »natürliche« Weiblichkeit zu besinnen, will Eva Herman dem gesellschaftlichen Trend zur Bindungslosigkeit etwas entgegen setzen. Diese Bindungslosigkeit hat aber nichts mit der Emanzipation zu tun, sondern ist eine Folge des bürgerlich-patriarchalen Menschenbildes, das Freiheit als Autonomie und Unabhängigkeit interpretiert. Herman hat recht mit ihrer Beobachtung, dass Frauen dieser Bindungslosigkeit tendenziell kritischer gegenüber stehen als Männer und mehr darunter leiden. Wenn sie sich aber jetzt wieder an Heim und Herd zurückziehen, anstatt ihr Wissen um die Bedeutung von Beziehungen und wie man sie pflegt, in die Welt zu tragen (zum Beispiel an den Arbeitsplatz), muss sich dort ja nix ändern.
Irrtum Nummer 5: Eva Herman will Frauen glücklicher machen. Aber sie ignoriert ihr Begehren.
Eva Herman hat recht, wenn sie beobachtet, dass viele Frauen nicht glücklich mit der gegenwärtigen Situation sind (wenn sie auch lange nicht so unglücklich sind, wie sie tut). Aber anstatt Frauen zu ermutigen, ihr jeweils individuelles Begehren aufzuspüren und ihm auch gegen die Konventionen und den Mainstream zu folgen, presst sie sie wieder in ein (auch noch ur-altes) Bild davon, was eine »richtige« Frau angeblich ist. Aber Frauen sind Menschen, ergo: unterschiedlich. Glücklich werden sie nur, wenn sie sich von stereotypen Frauenbildern befreien und aufhören, Klischees hinterher zu rennen. Egal ob es nun das Klischee der Karrierefrau ist oder das des Heimchens am Herd.
Irrtum Nummer 6: Eva Herman will die Welt realistisch sehen. Und frönt doch nur Illusionen.
Eva Herman glaubt, dass »die Feministinnen« sich die Welt zurecht legen und Realitäten ignorieren. Genau das aber tut sie selber, wenn sie Frauen zum Beispiel den Rat gibt, auf Beruf und Karriere zu verzichten. Genau diese Option haben Frauen im Zeitalter des globalisierten Kapitalismus und nach dem Ende des Patriarchats nicht mehr. Nur die allerwenigsten können sich heute noch dauerhaft in ein »Rückzugsgebiet« namens Familie einkuscheln. So sind die Verhältnisse nicht mehr. Worauf es ankommt ist vielmehr, die öffentliche Welt (der Politik, der Medien, der Erwerbsarbeit) so zu gestalten, dass Frauen mit Wohlbehagen darin leben können.
Irrtum Nummer 7: Eva Herman will Frauen und Männer versöhnen. Aber ihr Männerbild ist schaurig.
Laut Eva Herman hat der Feminismus die Frauen dazu getrieben, so zu werden wie Männer. Mit dem Ergebnis, dass die Welt eine von Egoismus zerfressene Hölle geworden ist. Mal abgesehen davon, dass Frauen nicht so geworden sind wie Männer, dass das auch nie das Ziel des Feminismus war, und dass die Welt zwar nicht perfekt ist, aber doch auch nicht ganz so schrecklich, wie sie tut: Was für ein Männerbild steckt denn hinter so einer These?
In: Krampfader, Nr. IV/2006.