Weihnachtskrippen der Völker
«Der Stamm der Makonde ist in einer Hochebene beheimatet im Süden von Tansania und auf der anderen Seite im Norden Mosambiques. Diese Leute sind außerordentliche Künstler in der Verarbeitung von Ebenholz. Das ist dieses schwarze Holz, das sehr hart und schwarz ist, und das mit sehr einfachen, man kann sagen, primitiven Mitteln bearbeitet wird, und diese Künstler, diese Schnitzer sind rein von ihrer Intuition bei ihrer Schnitzkunst geleitet, und darum sind alle ihre Werke Unikate. … Und zwar setzt sich der Makonde-Schnitzer am Morgen hin und hat nur das rohe Holz vor sich. und schnitzt aus diesem Holz eine Figur, die ihm im Laufe des Schnitzens vor Augen steht. Und darum ist diese Strenge immer auch ein Zeichen dafür, wie konzentriert ein solcher, wir könnten sagen, Laienkünstler, diese biblische Geschichte, die er kennt, umsetzt.«
Maria und Josef und das Kind in der Krippe. Man findet sie überall auf der Welt, aus Ebenholz geschnitzt, aus Lehm modelliert, aus Keramik gegossen und bemalt, aus Stein gemeißelt, aus Bananenblättern geflochten, selbst aus Staniolpapier gefaltet. Ob Bauern im Erzgebirge, christianisierte Stämme des afrikanischen Buschlands oder Indios in den Anden: Sie alle stellen Jahr für Jahr im Dezember kleine Figuren auf – Maria, Josef und das Jesuskind, dazu Hirten, Ochs, Esel, Schafe und vielleicht auch noch das eine oder andere einheimische Tier, natürlich die Könige aus dem Morgenland und eine Reihe anderer Personen, die ihnen dort hinzugehören scheinen, zum Beispiel sie selbst – der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Nichts hat sich so gründlich dem Zugriff gelehrter Theologie entzogen wie die Weihnachtsgeschichte. Die Männer und Frauen, die seit Jahrhunderten volkstümliche Krippen hämmern, schnitzen, modellieren und meißeln, geben dabei jedes Mal eine ganz eigene Interpretation davon, was nach christlichem Glauben damals, vor ungefähr 2000 Jahren, in Bethlehem geschehen ist: Die Geburt des Erlösers. Der Frankfurter Pfarrer Heinrich Dippel ist passionierter Krippensammler. Hunderte von Weihnachtskrippen aus allen Erdteilen hat er inzwischen zusammengetragen – und was ihn am meisten fasziniert, ist die Leichtigkeit, mit der sich das ferne Geschehen zu Bethlehem durch seine volkstümliche Darstellung in die jeweilige Kultur einpaßt.
«Sie haben dann alle Hände, alle Füße und alle Köpfe in diesem Ebenholz geschnitzt. Die Makonde wollen damit sagen, daß die Weihnachtsgeschichte bei ihnen zuhause stattfindet, jetzt in ihrer Zeit. Und darum sehen die Tiere oft nicht so gestaltet aus, wie wir sie kennen, das ist hier so ein Büffel mit einem Höcker, das ist mehr ein Pferd und kein Esel, weil der Esel ihnen fremd ist. Und dann ist auf dieser Rückseite noch etwas geschnitzt, was man ganz selten findet, nämlich der Kaiser Augustus, der die Welt benachrichtigt, daß er einen Befehl ausgibt, daß man sich in die Steuerlisten eintragen soll. Und hier ist diese Darstellung auf der Rückseite, im Hintergrund der Kaiser Augustus mit seiner Krone, er ist auch verlegt in die Zeit und in die Gegend, eben nicht in Rom, sondern in die Gegend von Tansania, und es kommen jetzt hauptsächlich die Frauen mit ihren Kindern und nicht Josef, wie in der Geschichte, die Frauen, die ihre Kinder auf dem Rücken tragen oder vorne vorzeigen, und dann ihre Kinder hier eintragen lassen.«
Daß Jesus, der Erlöser, nicht einfach zur Welt kam, sondern, wie wir alle, von einer Frau zur Welt gebracht wurde, macht ihn uns gleich. Jesu Gebürtigkeit ist der radikalste Ausdruck seiner Menschlichkeit, und das ist wohl auch der Grund, warum gerade die Weihnachtsgeschichte eine so wichtige Rolle in der Volksfrömmigkeit spielt – In der Bibel ist sie nämlich eigentlich eher unwichtig. Nur eines von vier Evangelien, das des Lukas, erzählt Jesu Geburt ausführlich, Matthäus handelt sie in einigen kurzen Versen ab, Markus und Johannes kennen Jesus ohnehin nur als Erwachsenen. Trotzdem hat das Geschehen von Bethlehem eine Kraft entfaltet, die weit über den eigentlichen Bibeltext hinausreicht. Geburten und die damit verbundenen Sorgen und Freuden gehören zu den grundlegenden Alltagserfahrungen der Menschen, überall. Die Weihnachtsgeschichte erzählt ein Ereignis, das man unmittelbar verstehen kann, auch in seiner Größe und Unfaßlichkeit. Man muß nicht Gelehrter oder Philosoph sein, um sich diese Geschichte anzueignen – und genau darum geht es. Nur selten findet sich in den volkstümlichen Krippendarstellungen der Versuch, die Szenerie originalgetreu nachzubauen, etwa durch orientalische Gewänder, Pflanzen oder Gebäude. Maria, Josef und Jesus werden im wahrsten Sinn des Wortes vergegenwärtigt, sie sind schwarz und weiß, gelb und braun, sie tragen Ponchos, Dirndl, Bergstiefel oder Lendenschurz. Sie leben in Lehmhütten, Berghöhlen oder Steinhäusern, sie trinken aus Kalebassen und Tonkrügen, essen Hirse, Reis und Maniok. Die heilige Familie ist nichts Abstraktes, sie steht mitten im Leben.
«Wir haben hier eine überaus interessante Darstellung eines Bootes auf dem Titicacasee. Das ist ein Boot, das gefertigt ist in der Wirklichkeit durch den Schilf und das Rohr. Hier wird dargestellt, wie diese heilige Familie sozusagen in dieser Gegend des Titicacasees übersetzt über den Nil. Oft sind diese Darstellungen nicht sofort als heilige Familien zu erkennen, hier eine Darstellung, wo der Heiligenschein sozusagen aufgesetzt ist, aber die Gesichter und die Ausdruckskraft dieser Personen sind eben sehr stark indiomäßig geprägt, und der Stoff, aus dem diese Schiffe gestaltet werden und die Figuren ist ein ganz weicher Lehm, ist auch nicht sehr hart gebrannt, deshalb sind diese Figuren also sehr zerbrechlich.«
Volkstümliche Krippendarstellungen sind nicht in allen Ländern der Welt bekannt. Es waren die Jesuiten, die im 16. und 17. Jahrhundert die Krippen in der Welt verbreiteten. Sie sahen in diesen bildhaften Darstellungen biblischer Geschichten eine willkommene Hilfe ihrer Missionsarbeit – denn schließlich konnten sie sich in Worten kaum mit der einheimischen Bevölkerung in den kolonialisierten Ländern verständigen. Und so ist bis heute die Krippenkunst vor allem in den Ländern verbreitet, in denen die Jesuiten tätig waren – zum Beispiel in Peru. In der Stadt Cuzco in den Hochanden lebt Sabino Tupa. Seine Krippendarstellungen zeichnen sich durch eine äußerst expressive Gestaltung der Maria- und Josefsfiguren aus.
«Bei dieser Krippe ist einmal auffallend, wie er die Figuren gestaltet hat, zum anderen, wie er die Weihnachtsgeschichte interpretiert, er interpretiert sie nicht als ein Geschehen, das nur den Menschen angeht, sondern die Heilsgeschichte an Weihnachten geht vor allem nach seiner Meinung auch die Tiere an, und deshalb zeigt er auch in seiner Darstellung keine Menschen, keien Hirten, keine Gabenbringer, er zeigt keine Könige, die in der Weihnachtsgeschichte eigetnlich überall zu sehen sind, sondern er zeigt nur die Tiere. Einmal die Tiere im Stall, den Ochs und den Esel, das sind die üblichen Requisiten, aber auch die Tiere seiner Umgebung, vor allem die Lamas, die Vögel, die Hasen, die Tiere, die ihn in seiner Heimat umgeben. Und nun ist das Interessante, daß er als Indio fliehen mußte aus seiner Andenheimat und hat nun in Cutzko eine neue Heimat gefunden, und stellt den Indio so dar, daß seine übergroßen Hände und seine übergroßen Füße auffallen. Die eben zeigen, daß der Indio nur eigentlich zwei Dinge sein Eigen nennt, mit denen er sein Leben erhält, nämlich seine Füße und seine Hände. Und darum gestaltet er diese Figuren so, daß er hauptsächlich auch bei dem Jesuskind Füße und Hände betont.«
Der volkstümliche Krippenbau stellt eine eigentümliche Mischung aus Kunst und Frömmigheit dar. Sabino Tupa ist einer der wenigen Krippenbauer, die überhaupt namentlich bekannt sind. Die meisten Werke, obwohl äußerst kunstfertig gestaltet und oft atemberaubend schön, stammen aus unbekannter Hand. Es sind anonym bleibende Männer und Frauen, die das Brauchtum ihrer Heimat, ihres Volkes pflegen. Sie sind Künstlerinnen und Künstler, aber nicht im üblichen Sinne des kreativen Individualisten, der ein einzigartiges, persönliches, geniales Werk schafft, dessen Wert man an der Signatur seines Schöpfers erkennt. Die Krippenbauer stellen nicht sich selbst in den Vordergrund, sondern sie bringen das ästhetische Empfinden der Bevölkerung zum Ausdruck. Ihre Individualität ordnet sich der höheren Wahrheit des Dargestellten unter – nicht sie sind die Schöpfer ihrer Werke, sondern es ist die Gemeinschaft ihres Volkes, und letztlich Gott selbst, der sich ihrer Hände bedient. Ihre Krippen sind nicht einfach nur Kunstwerke, sie sind Predigten, Produkte kollektiver Bibelauslegung.
«Wenn man die ganze Gruppe betrachtet, dann fällt einem noch eins auf, nämlich daß sie mit großem Ernst dieses Geburtsgeschehen darstellt, und zwar verbindet sie einmal das Geburtsgeschehen mit dem Kreuz. Über dieser Krippe steht nämlich mit einem Aufbau Gottvater, dargestellt in einer klagenden Figur, auch mit einer großen Hand, bärtig dargestellt, und in dieser großen Hand ist das Kreuz schon dargestellt. Die Engel, die drei Engel, die ihn umgeben in so einem Wolkengebilde, sind nicht lächelnd oder fröhlich gestimmt, sondern haben klagende Augen, sie weinen direkt wie Gottvater auch, der das Kreuz hält. Das einzige, das seine Geburt feiert, ist eigentlich das Jesuskind, das auf einem gewellten Teppich liegt und die Arme nach oben streckt und ein sehr fröhliches Gesicht macht, und zwar blickt es auf einen Umhang, auf eine Art Tasche, und in dieser Tasche sind wunderschön zu sehen drei Würfel, und es sind lauter Bonbons und Marzipanstücke, also alles, was sich ein Kind erträumt, sind in dieser Tasche vorhanden.«
Auch Deutschland erlebt in den letzten Jahren geradezu einen Boom an Krippenausstellungen. Das Interesse an fremden Kulturen mag vielleicht der Anlaß dafür sein, daß Tausende solche Ausstellungen besuchen. Doch der Anblick der verschiedenen Krippen fordert zuweilen selbst Kirchenferne dazu heraus, wieder über die eigene Religiosität nachzudenken. Pfarrer Heinrich Dippel weiß von erstaunlichen religiösen Gesprächen am Rande seiner Ausstellungen zu berichten. Mit Menschen, die seit Jahren keinen Gottesdienst mehr besucht haben, aber von den kleinen Figuren der Krippen doch anders berührt werden, als dies bei der nur ästhetischen Würdigung eines Kunstwerkes möglich wäre. Findet sich auf dem Umweg über andere Kulturen ein erneuter Zugang zu eigenen, verschütteten Traditionen der Religiosität? Wenn Pfarrer Dippel seine Krippen zeigt, dann sind da nicht nur exotische Exponate aus fernen Erdteilen zu sehen, sondern auch Zeugen einer immer mehr verschwindenden deutschen Volksfrömmigkeit.
«Bei einer meiner ersten Ausstellungen kam eine alte Dame, sie war damals etwa 84 Jahre, und erzählte mir von ihrer Familienkrippe. Sie brachte mir dann diese Krippe zur Ausstellung im nächsten Jahr, weil sie in ein Altersheim verzog und diese Krippe gerne auch der Nachwelt überliefert haben möchte. Ich habe sie sehr liebgewonnen, obwohl die einzelnen Figuren so aus der Zeit um 1900 stammen, aus einem gipsartigen Stoff, sie sind sehr schön bemalt und zeigen ungefähr 20 Figuren und dazu außerhalb diese Krippe zwei Hunde … Diese Krippe hat diese alte Dame in ihrem Haus vorgefunden und sie hat sie auch jede Weihnachten aufgestellt. Bis zu ihrer Vertreibung aus Oberschlesien. Sie hat diese Figuren in ihren Mantel eingenäht und sie hat diese Figuren in ihrem Mantel mit herübergebracht, sozusagen als eine der wenigen Habseligkeiten, und darum schätze ich diese Krippe so sehr, weil sie diese Frau durch all die vielen Jahre getröstet hat, bis sie jetzt im Altersheim diese Krippe nicht mehr aufstellen kann, und sie hat sie dann gebracht und das schöne alte Papier, wo sie diese Figuren dann jahraus jahrein eingewickelt hat, das fand ich so schön, das ist also das Weihnachtspapier aus den frühen 40er Jahren, so ganz dünn, und ich stelle sie auch jedes Jahr gerne aus, und wenn sie dann zu mir kommt und die Krippe wieder bewundert, dann freut sie sich jedes mal, daß auch andere vor ihrer Krippe stehen und auch so diese Krippe in ihr Herz geschlossen haben. Die Hunde, die eigentlich nicht zu der Krippe gehören, sind ihre beiden Hunde von ihrem großen Gutshof, die sie hat einmal nachgestalten lassen und die bei ihr eben unbedingt zur Krippe gehörten, und die eben die Erinnerung an ihre Heimat wachgehalten haben, und deshalb find ich sie so rührend, obwohl sie nicht zur Krippe gehören, daß ich diese beiden Hunde sozusagen auch zur Bewachung der vielen Schafe ausstellen kann.«
Das Motiv der Flucht ist in der Krippenkunst weit verbreitet. Fast ebenso häufig wie Maria und Josef im Stall findet sich die Darstellung der heiligen Familie auf der Flucht nach Ägypten. Sie fliehen vor König Herodes, der alle männlichen Kinder in Bethlehem und Umgebung töten läßt, denn er hat Angst, daß sein Thron, seine Macht in Gefahr ist. Mitten in der Nacht müssen Maria und Josef mit ihrem Sohn Israel verlassen und nach Ägypten ins Exil gehen. Erst Jahre später, nach dem Tod des Herodes, können sie wieder in die Heimat zurückkehren. Mehr noch als die Geburt des Erlösers gibt dieses Fluchtmotiv in der volkstümlichen Kunst Anlaß, sich selbst mit den biblischen Figuren zu identifizieren. Auf erschütternde Weise sind Krippen daher auch stumme Zeugen, daß in dieser Welt nicht nur das freudige Ereignis der Geburt, sondern auch die leidvolle Erfahrung von Flucht und Exil, die Vertreibung aus der Heimat durch die Skrupellosigkeit der politischen Herrscher, zu den grundlegenden Menschheitserfahrungen gehört. In großen, grobgeschnitzten Figuren aus Polen zum Beispiel sieht man Maria und Josef mit angstgeweiteten Augen und gehetztem Gesichtsausdruck, wie sie mit ihrem Kind das nackte Überleben retten.
«Dieser Künstler hat in einem polnischen Gebiet um Lemberg gewohnt, das er verlassen mußte, und lebt jetzt in Oberschlesien in einem ursprünglich deutschen Gebiet, und hat in dieser Darstellung sehr schön sich selbst als den Josef dargestellt mit dem Bart und dem wallenden Haar und hat selbst seine Flucht vor den Russen und diese Aussiedlung in dieses Weihnachtsgeschehen hineingelegt.«
Daß der christliche Erlöser nicht nur ein einfacher Mensch war, sondern auch ein Flüchtling, ein Verfolgter, macht Menschen bis heute immer wieder Mut. Niemand weiß, wann und wo genau die ersten Krippen auftauchten. Irgendwann im 12. Jahrhundert waren sie plötzlich da, in Süditalien ebenso wie in Bayern und Schwaben und in anderen Regionen. Die Weihnachtskrippe hat keinen Erfinder, sie ist eine kollektive Erfindung des Volks. Vielleicht ist sie aus dem Brauch hervorgegangen, die Geschichte von Jesu Geburt im Weihnachtsgottesdienst nachzuspielen – wobei es so lebhaft und zuweilen gar aufrührerisch zuging, daß die Obrigkeit solches Treiben irgendwann verbot. Die figürliche, unbewegte Darstellung des Geschehens mag da eine Alternative gewesen sein, und sie fand auch in manchen Fürstenhäusern Anklang. Die ersten großen Krippen-Arrangements sind der Initative adliger Frauen zu verdanken, berühmt waren die Szenerien der Herzoginnen Conzanze von Amalfi und Maria von der Steiermark im 16. Jahrhundert. Auch in den Kirchen bekamen die Krippen zunächst einen Ehrenplatz auf dem Altar, doch bald schon wurden sie in die Seitenkapellen verbannt, später dann, im 18. Jahrhundert sogar zeitweise verboten. Vor allem der Protestantismus tat sich schwer, dieser wenig intellektuellen Art von Frömmigkeit etwas Positives abzugewinnen. Doch der Popularität der kleinen Figürchen tat das keinen Abbruch – wollte man sie in den Kirchen und Palästen nicht mehr haben, so fanden sie Herberge in den einfachen Hütten der Bauern, Handwerker und Dienstmädchen. Die ärmliche Szenerie des Stalls von Bethlehem ist Menschen bis heute ein Trost, selbst – oder vielleicht gerade – in Situationen, die vollkommen ausweglos scheinen.
«Diese wunderschöne Krippe ist aus Nairobi. Aus einem Flüchtlingslager, und zwar stammt die von Flüchtlingen aus Ruanda. Und diese Arbeit hat ihnen die Kirche vermittelt, daß sie diese Geschichte, die Weihnachtsgeschichte nun mit den primitiven Mitteln, die in einem Flüchtlingslager noch vorhanden sind, gestalten. Und zwar sind das alles wunderschön geformte Figuren aus Bananenblatt. Bananenblätter umwickelt und so kunstvoll gestaltet, wie sie das nur können. Die Spielleute, also die Hirten, haben also Instrumente aus dieser Zeit und wie sie im Volk also sind gebogen, einer Art Zither, die mit der Hand gezupft wird, oder hier eine Flöte, und da sieht man wie die immer auch die Kalebasse, das Wasser, ist da dabei, und hier der bringt ein Schaf , die Könige sind sehr einfach, sie bringen mit eine Kalebasse, ein Licht, so eine Ampel, und der bringt eine Trommel. Es ist eine Darstellung, die aus den einfachsten Mitteln und der Armseligkeit eines Flüchtlingslagers erschienen sind.«
In Afrika ist heute die Volkskunst des Krippenbaus vielleicht am Lebendigsten und am Vielfältigsten. Die afrikanischen Künstler und Künstlerinnen sind kaum von Vorbildern und Traditionen beeinflußt. In Lateinamerika mußten sich die einheimischen Krippenbauer in ihrer Darstellungsweise erst von den Modellen lösen, die die jesuitischen Missionare aus Europa mitgebracht hatten. In Afrika dagegen haben viele Figurenschnitzer niemals eine andere Krippe gesehen, und so können sie in ihrer Darstellung die Geschichte von Jesu Geburt ganz unmittelbar so ausdrücken, wie sie sich in ihrem Glauben und in ihren Lebensgewohnheiten wiederspiegelt. Dabei können sich religiöse Einsichten ergeben, die selbst studierte Theologen hierzulande beeindrucken – zum Beispiel in einer Blockkrippe aus dem kleinen ostafrikanischen Land Malawi, die zu den Lieblingsstücken von Pfarrer Dippel gehört.
«Die größte Fläche in diesem Land wird von einem großen See, dem Njasasee bedeckt, und dort lebt auf den Höhen des Ufers, des steilen Ufers, lebt ein Stamm, die Schewa. Und deshalb sind die Darstellungen dieser Schewa sehr charakteristisch und mit diesem See und mit dieser Hanglage verbunden. Hier in dem unteren Teil wird dargestellt Maria und Josef und das Kind, das in einem Kasten liegt, Maria mit diesem schön gestalteten Kleid und diesem schönen Kopftuch, dann der Berghang, der wie ein gotisches Fenster aussieht mit einem Stern versehen, der über dieser Krippe dargestellt ist, und dann kommen vom Berghang herunter, drei Könige, das heißt eigentlich Gabenbringer. Der eine König hier auf der linken Seite, der hat einen Elfenbeinzahn, einen Elefantenzahn, und die anderen haben also Töpfe in der Hand, die sie mit der einen Hand unterstützen, der hier ist vermutlich etwas schwerer, der andere wird zugehaltne, als sei das ein Kochtopf, wo also etwas gekocht sei. Aber das Interessante sit an diser Darstellung der Schona ist, daß dieses Gesicht hier oben über dem Ganzen steht, das ist die Darstellung Gottes. Und zwar herrscht in diesem Stamm das Matriarchat, eine matriarchalisch geordnete Gesellschaft. Und darum ist diese Gesichtsmaske Gottes eine Gesichtsmaske einer Mutter, einer Muttergottheit. eine wunderbare Aussage. Das Mütterliche Gottes, die Liebe Gottes zu den Menschen, bestimmt die ganze Weihnachtsgeschichte.«
Dies ist das Manuskript derChristvesper, die am Heiligen Abend 1998 im Hessischen Rundfunk Hörfunk (hr1) gesendet wurde.