Diesen Text hat Luisa Muraro 2004 geschrieben. Die italienische Originalfassung ist dokumentiert auf der Internetseite der Philosophinnengemeinschaft Diotima und unter http://www.diotimafilosofe.it/riv_online.php verlinkt. Die folgende Übersetzung ins Deutsche stammt von mir und ist nur für den Eigengebrauch gedacht – sie ist nicht autorisiert, damit auch nicht zitierfähig!
Luisa Muraro: Die Wette des Feminismus
Dass es Freiheit für die Frauen gebe – das ist die Frage, um die es dem Feminismus geht, nichts anderes. Der ganze Rest, den wir mit »Feminismus« assoziieren, hat entweder mit der Freiheit zu tun, oder wir müssen ihn anders nennen. Dass es Freiheit für die Frauen gebe, müsste, streng genommen, eine grundlegende Frage der ganzen Menschheit sein und nicht nur des Feminismus. Mehr noch, der Feminismus dürfte nicht einmal existieren, sondern nur die Menschheit – wenn die Menschheit sich nicht auch in Abwesenheit der weiblichen Freiheit als frei betrachtet hätte, wie im antiken Athen oder im revolutionären Frankreich. Das ist, wenn man genau darüber nachdenkt, ein extremes Paradox. Und dennoch ist es geradezu banal, man braucht sich nur an die vielen Kriege und Freiheitskämpfe zu erinnern, die – auch mit weiblicher Unterstützung – gekämpft und gewonnen wurden, ohne dass es Freiheit für die Frauen bedeutet hätte. Das Beispiel von Algerien lehrt das.
Können wir sagen, dass dieses Paradox inzwischen der Vergangenheit angehört? Viele in diesem Teil der Welt, der sich Okzident nennt, beantworten das inzwischen mit Ja. Wenn man dem Kriterium folgt, das ich vorgeschlagen habe, müssen wir schlussfolgern, dass der Feminismus glücklich in den Hafen eingelaufen ist und seinen Daseinsgrund verloren hat. Es ist etwas Wahres in dieser Sichtweise. Ich denke, um nur ein Beispiel zu nennen, an die Art und Weise, wie heute die junge Frauen die Orte der höheren Bildung bevölkern, mit Wohlbehagen, Herrschaft und Gewinn, ganz abgesehen von ihrer immer weiter ansteigenden Zahl. Diese große Veränderung im Bezug auf die weibliche Freiheit kann ich nicht nur ermessen, wenn ich an den Kampf für weibliche Bildung zurückdenke, den zum Beispiel Virginia Woolf geführt hat, sondern auch in der Erinnerung an meine eigene Erfahrung als Studentin vor 40 Jahren in einer Welt, die völlig von der männlichen Gegenwart dominiert war.
Dennoch fühlen wir, dass es sich um eine voreilige Antwort handelt. Mein eigenes Zögern, zu denken, dass der Feminismus seine Lebensbahn glücklich vollendet hat, kommt nicht daher, dass es auch in unserer Gesellschaft noch weiter Ausschlüsse und Diskriminierungen gibt. Dieses Phänomen wird sehr übertrieben dargestellt. Oder besser gesagt, es wird falsch interpretiert. Man geht ja sogar soweit, auch die freien weiblichen Entscheidungen darunter zu fassen (zum Beispiel die Bevorzugung der humanistischen Studienfächer oder die Entscheidung für Teilzeitarbeit), so dass der Verdacht aufkommt, dass das Kriterium, um das es geht, nicht die Freiheit ist, sondern die Gleichheit der Frauen mit den Männern. Was mich im Bezug auf den Erfolg des Feminismus zögern lässt, ist genau das, beziehungsweise die Feststellung, dass die Freiheit für die Frauen an die Gleichheit mit den Männern gebunden ist, und dass diese Verbindung eine Grenze für die Freiheit selbst bedeutet, sie sozusagen weniger frei sein lässt. Heute haben die progressiven Projekte der Emanzipation, wie sie in den siebziger Jahren noch zirkulierten, keinen Schwung mehr. Stattdessen gibt es eine Art Staatsfeminismus, oder besser eine Staatspolitik, oft von internationalen Gremien vorgeschrieben, die systematisch jeden Ausdruck von Asymmetrie zwischen den Geschlechtern attackiert, die als Synonym von Ungleichheit und als Ursache von Diskriminierung betrachtet wird. Es scheint fast, als wolle man jede Äußerung der weiblichen Differenz auslöschen, ob es sich um die Wahl der Studienfächer handelt, um Strategien, Familien- und Berufsleben zu vereinbaren, oder um Vorlieben in der Art und Weise, sich politisch zu engagieren. Warum, zum Beispiel, will man nicht einmal als Hypothese den Gedanken zulassen, dass die mangelnde Präsenz von Frauen in den parlamentarischen Gremien eine mangelnde weibliche Sympathie für die repräsentative Demokratie bedeuten könnte?
Zweitens macht es mir Unbehagen, dass man im Okzident vorhat, die weibliche Freiheit in andere Länder und Kulturen zu »exportieren«. In einigen Fällen handelt es sich ganz offen um ideologische Propaganda: Ich denke an den letzten Krieg in Afghanistan in Zusammenhang mit einigen Kommentaren zur Befreiung der Frauen. In anderen Fällen jedoch, das muss man zugeben, ist es keine Propaganda. Ein Beispiel ist das gut informierte und durchdachte Buch von Martha Nussbaum: Women and Human Development (Cambridge, 2000), das sich bemüht, eine Reihe von Problemen aufzuzeigen und zu lösen, die sich im Inneren der indischen Gesellschaft stellen. Mein Unbehagen ist in Fällen wie diesem aber nicht weniger groß, im Gegenteil, denn es sind Modelle jenes Einbahnstraßen-Universalismus, den man weiterhin mit einer sehr zweideutigen Autorität von unserer Seite aus gegen den Rest der Welt praktiziert.
Im Allgemeinen denke ich, dass es in der Zivilisation, die sich selbst als okzidentale versteht, durchaus eine weibliche Liebe zur Freiheit gibt, dass aber diese Liebe sich in eine politische Tatsache übersetzt entlang einer nicht-freien Konzeption der weiblichen Freiheit. Womit aber das Paradox, von dem ich vorhin gesprochen habe, lediglich seinen Ort verändert und nun zum Paradox einer politischen Kultur wird, die, indem sie die Präsenz und den Protagonismus von Frauen vorantreibt, faktisch die weibliche Unfreiheit vorantreibt. Die Soldatinnen im Gefängnis von Abu Ghraib im Irak sind nur ein extremes Beispiel für das, was ich sagen möchte.
Damit befinden wir uns vor einem großen Widerspruch unserer Gegenwart und Zukunft, nämlich dem Widerspruch einer weiblichen Freiheit, die ihr eigenes Maß nicht findet, weil der Prozess der Integration der Frauen in das öffentliche Leben sie dazu bringt, sich außerhalb jeder weiblichen Gesellschaft zu äußern, in einer Welt, die eine Welt von Männern war und die in vielerlei Hinsicht weiterhin mit männlichen Maßstäben gemessen wird – einer Freiheit, die so Gefahr läuft, ohne Steuer im Meer der Bedeutungslosigkeit und der Imitation herumzutreiben.
Erleben wir also gegenwärtig eine neue Unterwerfung der Frauen? Eine Unterwerfung (»assoggettamento«) im Wortsinn, sich nämlich zwar durchaus zum Subjekt zu machen, aber in Unterordnung zu etwas anderem, einer neuen Unterordnung in Formen, die nicht länger die Formen des Patriarchats sind. Der postmoderne Feminismus, der hellsichtig ist in seinen kritischen Analysen, aber behindert durch seine Voreingenommenheit gegen die Metaphysik und von seiner Abneigung gegen das Universale, hat keine Antworten und funktioniert vielmehr wie ein Spiegel der Art und Weise, wie die Dinge laufen: Die Menschheit verliert sich in einer undefinierten Vielheit von Differenzen, die subjektive Erfahrung wird ausgenutzt und missbraucht von der Sprache der Werbung, die Körper und die Bedürfnisse sind verloren in der wachsenden Konfusion von Zeichen und Signalen…. Etwas ist merkwürdig in all dem: Je mehr man sich dem neutralen Universalen der Technik und des Marktes annähert, umso mehr ist der weibliche Körper hiervon betroffen und wird exponiert, ob es sich nun um die Grenzbereiche der wissenschaftlichen Forschung handelt, um die Sprache der Massenmedien oder um die schlimmsten bewaffneten Konflikte.
Jeder Versuch, eine Bilanz dieser 30 Jahre Feminismus zu ziehen, sieht sich daher vor eine radikale Frage gestellt, nämlich die, was wirkliche Freiheit der Frauen ist. Diese Zuspitzung zwingt uns, uns auf unsere eigene Vergangenheit zu besinnen, um sie zu interpretieren und neu zu beleben für das »Gedächtnis der Zukunft« oder auch für die zukünftigen Generationen, was uns nicht davon entbindet zu versuchen, ihnen etwas zu sagen: die neuen Generationen haben das Recht darauf, dass wir es versuchen.
Eine einfache Wiederbelebung der Vergangenheit kann nicht erklären, was geschehen ist, sie kann aber zu der Entdeckung führen, dass die Vergangenheit noch nicht vergangen ist, sondern dass das Spiel immer noch weitergeht. Aber wie geht das? Mit der Energie des offen praktizierten Konfliktes, antworte ich, oder besser, indem man die Dinge in Worte fasst, die uns trennen, zwischen Feministinnen, zwischen Frauen, zwischen jüngeren Frauen und älteren Frauen. Die Möglichkeit, uns zu bilden, Karriere zu machen, auf der öffentlichen Bühne in Erscheinung zu treten, entfacht ein Begehren nach Erfolg, und das schafft einen Widerspruch, dem sich die Frauen noch nicht gestellt haben, nämlich den Widerspruch der Kosten, die wir bereit sind (oder auch nicht) zu bezahlen, um uns in erster Person im öffentlichen Leben zu behaupten, und der Nachsicht, die wir bereit sind (oder auch nicht) mit denen Frauen zu üben, die alles dem persönlichen Erfolg unterordnen. Wer den Feminismus von innen heraus kennt weiß, dass er immer ein Schlachtfeld gewesen ist, und genau auf diesem Schlachtfeld, also im offenen Konflikt mit anderen Frauen, der geführt wird, ohne die Kommunikation abzuschließen, hat die weibliche Freiheit ihr Maß gefunden – wenn sie es denn gefunden hat. Und genau dort hat jene weibliche Autorität Form angenommen, die kein Gesetz ersetzen kann, denn nur von dort kommt das Maß für die Freiheit einer Frau.
Ich will ein Beispiel erzählen. Kürzlich haben im Mailänder Frauenbuchladen, den es seit 1975 gibt, drei Frauen um die Dreißig, die miteinander befreundet und Töchter von Feministinnen sind, im Rahmen einer Reihe über die Arbeit von Frauen in traditionellerweise nicht weiblichen Bereichen von ihrer beginnenden beruflichen Karriere berichtet – die eine ist Regisseurin am Theater, die andere bildende Künstlerin, die dritte Bühnenbildnerin. Die drei haben ihr Publikum, das überwiegend aus Frauen bestand, die älter waren als sie, erstaunt, und zwar wegen der Freundlichkeit, der Kompetenz und der Persönlichkeit, die sie ausstrahlten. Keine von uns – so dachten wir uns – hätte das in diesem Alter so gut machen können. Aber sie haben uns auch erstaunt, weil sie überhaupt nicht auf die Ideen und die Praxis des Feminismus Bezug nahmen. Zwar haben sie ganz selbstverständlich ihre Dankbarkeit und Anerkennung für ihre Mütter, die anwesend waren, zum Ausdruck gebracht. Aber das, nachdem sie vom Publikum dazu aufgefordert wurden, und es hat nicht im geringsten ihre politischen Überlegungen beeinflusst. In ihren Worten gab es nicht den Hauch von Ressentiments oder Forderungen gegenüber ihren männlichen Kollegen. Man sah, dass sie sich das Beste des Feminismus zu eigen gemacht hatten, aber es war ihnen nicht bewusst, was bei dem Übergang von unserer zu ihrer Generation alles auf dem Spiel gestanden hat. Sie genossen ihre Freiheit, als wäre sie eine natürliche Sache; wenn sie aufgefordert worden wären, darüber zu reflektieren, hätten sie wahrscheinlich die Sprache des Rechts gesprochen, hätten gesagt, dass diese Freiheit doch ihr gutes Recht sei.
Was ist damit nicht in Ordnung? Die Antwort ist einfach und lautet, dass die drei – und wie sie wahrscheinlich viele andere junge Frauen – eine Freiheit als »natürlich« betrachten, die die politische Ordnung ihnen zuerkennt, und zwar nicht, weil sie Frauen sind, sondern davon unabhängig, nämlich weil die Frauen den Männern gleich sind. Man könnte auch sagen, dass sie in Wirklichkeit eine Freiheit genießen, die zwar einen weiblichen Ursprung hat, die aber als solche gerade nicht von der politischen Ordnung anerkannt wird. Kurzum, sie genießen unbewussterweise ein Gut das, im Wesentlichen, etwas mit einer Bewusstwerdung zu tun hat. Nämlich die der weiblichen Freiheit. Und diese – um das Folgende vorweg zu nehmen – könnte die ganze menschliche Freiheit sein, wenn sie zu einer Freiheit in Beziehung werden würde, die sich mit der Freiheit des Anderen entwickelt und bestärkt.
Es wird gesagt, dass der Feminismus oft von einer gewissen Vergesslichkeit und Unbewusstheit begleitet ist. Dieser Typ Feminismus, der heute der am weitesten verbreitet ist, drückt sich auf vielerlei Art und Weise aus. Eine davon verdient besondere Aufmerksamkeit, und zwar die Vorliebe, sich mit anderen Frauen zusammenzutun, um bestimmte Aktivitäten zu verfolgen, ob es nun darum geht, in Ferien zu fahren, eine Praxis zu gründen oder sich in einen Berufszweig einführen zu lassen. Worin ja die bedeutendste Praxis der feministischen Bewegung erkennbar ist, nämlich diejenige, sich unter Frauen zusammenzutun und die Gegenwart der Männer auszuschließen. Wir könnten heute fast von einer »kleineren Separation« sprechen im Verhältnis zu jener der siebziger Jahre. Was ist der Unterschied? Der Unterschied ist, das jene »größere Separation« damals ganz bewusst den Prozess der Integration der Frauen in die Gesellschaft der Männer unterbrechen wollte, die von den progressiven Kräften häufig mit Hilfe weiblicher Gruppen vorangetrieben wurde im Rahmen des großen Projektes der Emanzipation der unteren Klassen, zu denen auch die Frauen gezählt wurden. Die Frauen, die sich in den ersten feministischen Gruppen am Ende der sechziger Jahre zusammentaten und die den Weg für die Massenbewegung der siebziger Jahre überall in der industrialisierten Welt bereiteten, waren geprägt von der Erfahrung, persönlich in die Politik und die Kultur der Männer involviert zu sein. Es waren Jahre großer politischer Gärung. Die Geste des Bruchs, die die Frauen damals ausübten, war etwas vollkommen Unvorhersehbares, das ihre Mitstreiter nicht wenig überrascht hat, und man muss diese Geste noch etwas genauer erläutern, um ihre Bedeutung zu verstehen. Was sie ausgelöst hat war nicht, ich wiederhole es, der Umstand von Ungerechtigkeit und Diskriminierung, sondern ein tiefes Unbehagen und eine wachsende Fremdheit gegenüber der Sprache, der Praxis und den Projekten, die bis dahin mit den Männern geteilt worden waren. Positiv gesagt war es der Wille, im Spiegel und im Austausch mit anderen Frauen Worte zu finden, um von sich und der Welt in Treue zur eigenen Erfahrung zu sprechen.
In jenen ersten getrennten Gruppen hat sich also die Tatsache der sexuellen Differenz von der Seite des Subjekts gelöst und ist schließlich bei der Objektivierung der weiblichen Differenz angekommen. Damals wurde geboren, was man, mit Luce Irigaray, später das Denken der sexuellen Differenz nannte.
Das progressive Projekt der Emanzipation ging von einem angeblich neutralen Subjekt aus, und es irrte sich darin, die Frauen mit demselben Maß zu messen wie eine unterdrückte oder diskriminierte soziale Gruppe. Im Denken der Differenz hingegen ist »Frau« ein Name für die ganze Menschheit, »Mann« ist ein anderer. Vielleicht gibt es weitere Namen, die noch gefunden werden müssen oder schon gefunden sind, aber diese beiden sind die prinzipiellen. Auf dieser Basis wird der Kampf gegen die sexistische Herrschaft und das Bemühen, gegen die Leiden, denen die Mädchen und Frauen allein wegen der Tatsache ausgesetzt sind, dass sie nicht männlichen Geschlechts sind, einen Damm zu bauen und, wer weiß, sie sogar ganz zu beenden, zu einem Kampf für eine Veränderung, die die ganze Menschheit betrifft, damit die einen auch die anderen bedeuten und umgekehrt, in einem nicht symmetrischen Verhältnis (denn die Frauen werden von einer Frau geboren und die Männer hingegen … auch), dessen Bedeutung noch gefunden werden muss und die, einmal gefunden – vielleicht – immer wieder gefunden wird, genauso wie die der Freundschaft, der Liebe, der Eintracht.
Was dem weit verbreiteten Feminismus fehlt, was es aber in den Anfangsjahren gegeben hat und was also dem Gedächtnis der Zukunft anvertraut bleibt, das ist das Bewusstsein, dass die weibliche Freiheit nicht offensichtlich, nicht selbstverständlich ist, und zwar in zweierlei Hinsicht. Erstens, weil die Freiheit für die Frauen derzeit immer einher geht mit dem stillschweigenden Zwang, sich an die Bedingungen anzupassen, die die Männer als grundlegend für das zivilisierte Zusammenleben erachten, zum Beispiel die Bedingungen der repräsentativen Demokratie, die, offen gesprochen, viele von uns für eine große Zeitverschwendung halten. Es sind Bedingungen, wie man leider hinzufügen muss, die sich in solche des unzivilisierten Zusammenlebens umkehren können; ich denke an die Piloten der Nato, die Bomben über dem Kosovo abgeworfen haben oder die Selbstmordattentäter des palästinensischen oder tschetschenischen Widerstandes. Positiv formuliert ist die weibliche Freiheit nicht offensichtlich und selbstverständlich, weil sie die Frage und die Möglichkeit einer neuen und anderen Politik in sich trägt, einer Politik, die nicht länger auf Machtbeziehungen basiert, die mehr oder weniger gut durch das Recht geregelt sind, sondern auf der Beziehung und der Verhandlung, mit all der Zerbrechlichkeit, die diese auszeichnet.
Mit der gelebten Erfahrung in den feministischen Gruppen, wo Wort, Selbstbewusstsein und Freiheit aus unserem Austausch selbst hervorgingen, hatten wir die Idee einer Freiheit gewonnen, die nicht liberal, sondern relational war: Nicht als Recht, das von einem Universalen sanktioniert wird, das der Geburt voraus geht (das »wir sind frei geboren« der modernen Philosophen), sondern als kreative Möglichkeit, als Öffnung hin zu einem Mehr des Seins, das der Qualität der Beziehungen anvertraut ist, die wir mit den anderen haben, und mit uns selbst und mit der Welt; einer Freiheit, die vereinbar ist mit der Abhängigkeit, in der wir mit den anderen vom ersten bis zum letzten Tag unseres Lebens stehen. Wie ein Gut, dessen Genuss wir in der Freiheit des Anderen finden, nicht als dessen Grenze sondern, im Gegenteil, als dessen Vermehrung.
Wir hatten jedoch keine Elemente, um zu denken, dass eine solche Freiheit einen Ort in der Gesellschaft der Frauen mit den Männern finden könnte. Tatsächlich handelt es sich um eine Perspektive, die die Männer auf eine Weise hinzuzieht, die der Feminismus bis heute nur als Ideal gedacht, aber nicht praktiziert hat. Die feministische Herausforderung hat den Abstieg des Mannes angezeigt, der nicht länger als neutrales Wesen und als universaler Name gilt. Der Feminismus hat das praktisch bewirkt, mit der Praxis der Trennung – nicht weil er eine intellektuelle Abneigung gegen das Universale hatte, sondern um den Frauen eine symbolische Existenz (Worte und Autorität) zu geben. Und indem er das tat, stellte der Feminismus die Kritik an der sexistischen Herrschaft in den Horizont einer radikalen Infragestellung des menschlichen Seins, die offen bleibt. »Die Geschlechter sind zwei« – wie wir häufig gesagt haben und immer noch sagen – das ist nicht die Formel der Antwort, sondern die einer Frage.
Das Problem, ich wiederhole es, liegt noch vor uns, es ist gestellt, aber nicht beantwortet: das Problem einer symbolischen Ordnung, in der das Individuum weiß, dass es Anderes als es selbst gibt, und in der dieses Wissen weder nebensächlich noch instrumentell ist, sondern etwas, dass das Individuum im intimsten Inneren seiner selbst betrifft. Und ein Wissen, das nicht vergisst, was es mit dem Geboren werden gelernt hat. Es geht also um das Problem eines freien Sinnes der sexuellen Differenz. Man kann es auch auf andere Weise sagen: Kann sich die Asymmetrie zwischen den Geschlechtern in eine Beziehung übersetzen, die ohne ein Vorab-Urteil zugunsten der Gleichheit und ohne Verlust von Freiheit des eines Geschlechts gegenüber dem anderen praktiziert werden kann? Kann es Freiheit für die Frauen ohne Emanzipation geben? Oder, in den einfachsten und radikalen Worten ausgedrückt, die ich finden kann: Können wir (Frauen und Männer) frei sein von der Notwendigkeit, gleich zu sein und von der Verpflichtung, in Konkurrenz zu treten?
Es handelt sich, als extreme Synthese, darum, zu einer anderen Ordnung der Beziehungen zu gelangen, wie es Cristina Campo, eine italienische Autorin und großartige Leserin von Märchen und Lehrerin darin, sich erzwungenen Symmetrien zu entziehen, formuliert hat: »Die Starrsinnigkeit, eine ununterbrochene Lektion der Märchen, ist der Sieg über das Gesetz der Notwendigkeit und absolut nichts anderes, weil es nichts anderes auf dieser Welt zu lernen gibt. Die Proben, auf die die Helden der Märchen gestellt werden – und wie sie, um sie zu bestehen, entschieden aus dem Spiel der Kräfte aussteigen müssen und die Erlösung in einer anderen Ordnung der Beziehungen suchen.«
aus: Rivista Online der Philosophinnengemeinschaft Diotima, Nr. 3, 2004.