Antje Schrupp im Netz

Erfolgreich sein – was kann das heißen?

Ich möchte in das Thema Erfolg mit drei Geschichten einsteigen, die mir in der Zeit, als ich diesen Vortrag vorbereitete, begegnet sind:

\1. Eine Frau aus meiner Doppelkopfrunde ist schon seit einiger Zeit Single und auf der Suche nach einem Mann. Deshalb hat sie zuweilen Verabredungen mit Männern, die sie kaum kennt, und so berichtete sie uns von einem jungen Mann, mit dem sie sich in einem Café traf. Diese Bekannte von mir arbeitet mit einer Zwei-Drittel-Stelle am Check-In bei British Airways, schon seit längerem, sie mag den Schichtdienst, denn sie geht gerne spätnachts in Discos und das ginge bei einer geregelten Arbeitszeit schlecht. Zwei Nachmittage in der Woche arbeitet sie zudem in einer gemeinnützigen Einrichtung, wo sie – ebenfalls bezahlt, aber nicht so gut – ausländischen Kindern bei den Hausaufgaben hilft. Daraus zieht sie jede Menge persönlicher Befriedigung. Nun ja, so oder so ähnlich hat sie ihr Leben auch diesem jungen Mann geschildert, aber der fragte nur erstaunt: »Und, willst du das jetzt bis ans Ende deines Lebens machen?« Konnte es sein, dass jemand keine höheren Absichten hat, als Flugtickets zu verkaufen und Kindern bei den Hausaufgaben zu helfen? Das konnte er sich offenbar gar nicht vorstellen. Er selbst war auf einem ganz anderen Weg: Ende zwanzig, Rechtsanwalt, Arbeitstage von zwölf Stunden und vorher schon ins Fitnessstudio. Er will noch etwas erreichen. Bloß kein Stillstand. Er will erfolgreich sein. Er will hoch hinaus. Er will etwas machen aus seinem Leben. Und er findet das so selbstverständlich, dass er meiner Bekannten das Gefühl gab, sie sei irgendwie nicht normal, weil sie nicht mehr will, als das, was sie tut.

Die 2. Geschichte ist kürzer, sie hat ebenfalls eine Freundin von mir erzählt, die schon älter ist und eine Enkelin von 12 hat. Als sie sich mit dieser Enkelin kürzlich darüber unterhielt, was diese denn später einmal werden will, sagte das Mädchen ganz spontan und im Brustton der Überzeugung: Superstar.

Die 3. Geschichte ist mir neulich in der Kantine passiert. Ich aß zusammen mit einer Frau, die in diesem Frankfurter Kirchenverband, in dem ich arbeite, im Vorstand ist, also in einer sehr hohen Position. Vorher war sie Generalsekretärin der Evangelischen Frauenarbeit in Deutschland gewesen, sie ist also schon lange frauenpolitisch aktiv. Sie hatte sich mit mir zum Mittagessen verabredet, weil ich im Sommer an der 2. Europäischen Frauensynode in Barcelona teilgenommen hatte, einem Treffen von 700 Frauen aus über 30 Ländern, die sich über ihre Visionen von Kirche, über ihre Unterschiede und Ideen auseinander gesetzt hatten. Ich war von der Synode ganz begeistert, von dem hohen Niveau der Vorträge und der Workshops. Diese Vorstandsfrau hat interessiert zugehört und gesagt: Sie hätte auch Lust gehabt, dort hin zu fahren, hat es aber dann nicht gemacht, weil sie ja soviel anderes zu tun hat, und das wäre ja auch keine Synode mit offiziellen Delegierten aus den verschiedenen Kirchen gewesen und deshalb hätte das ganze Treffen ja nur »symbolische« Bedeutung. Nur »symbolische« Bedeutung bedeutete für sie offensichtlich: Ist also nicht so wichtig. Ich widersprach und führte an, dass die Synode für die teilnehmenden Frauen und die Arbeit, die sie in ihren Kirchen tun, eine sehr große Bedeutung hatte, dass sie mir persönlich außerdem viel gebracht hat und dass ich nicht zuletzt sehr großen Spaß daran hatte. Ganz abgesehen davon, dass ich mit meinen Berichten über die Synode als Journalistin auch noch etwas Geld verdienen konnte. Und dass ich überhaupt beschlossen hätte, in meinem Beruf möglichst nur noch solche Dinge zu tun, die ich auch persönlich interessant finde. Und da seufzte sie, die Frau aus dem Vorstand, und sagte zu mir: »Ja, Sie können sich das ja auch erlauben«.

Dies sind drei Geschichten, die etwas mit der Frage zu tun haben, was »Erfolg« haben bedeutet. An ihnen entlang möchte ich auch meinen Vortrag strukturieren, also in drei Schritten:

\1. Welche Vorstellung haben wir kulturell und historisch eigentlich von »Erfolg«?

\2. Wie artikulieren sich in dieser Kultur die »großen Wünsche« von Frauen?

und 3. Wie können wir diese Wünsche der Frauen in einer anderen, einer neuen symbolischen Ordnung interpretieren?

Die erste Geschichte von dem Blind-Date meiner Doppelkopf-Bekannten zeigt, dass »Erfolg« haben zu wollen, heute für viele Leute so selbstverständlich geworden ist, wie dass man essen und atmen muss. Geben Sie mal bei »Amazon« oder einem anderen Internet-Buchladen den Suchbegriff »Erfolg« ein, und Sie werden Tausende von Titeln finden. Lauter Bücher über den Erfolg, darüber, wie erfolgreiche Leute erfolgreich geworden sind, und wie Sie selbst auch erfolgreich werden können. Es ist offenbar sehr wichtig in unserer Gesellschaft, Erfolg zu haben. Nicht nur die Erfolglosen, die Verlierer und Versager, stehen dumm da, sondern auch die, die – wie meine Bekannte – mit einem »durchschnittlichen« Leben ganz zufrieden sind.

Das war nicht immer so. Im Mittelalter zum Beispiel, in der feudalen, vorindustriellen Gesellschaft, war es nicht wichtig, erfolgreich zu sein. Man war eben das, was man war, Bauer oder Knecht, König oder Ritter, und das blieb man dann das ganze Leben lang. Man brauchte nicht kreativ oder innovativ oder flexibel zu sein, um »nach oben« zu kommen, im Gegenteil, man sollte den zugewiesenen Ort in der gesellschaft akzeptieren, ausfüllen, und damit zufrieden sein.

Aber man muss gar nicht so weit in die Geschichte zurück gehen, um zu sehen, dass erfolgreich zu sein nicht immer eine gesellschaftliche Pflicht der Menschen war. Ich denke zum Beispiel an die Beamten, die ihre Beförderungen alle nach einem festgesetzten System bekommen, ein System, das vermutlich bald abgeschafft wird. Auch dort soll ja zukünftig mehr »leistungsorientiert« gearbeitet werden. Aber früher war es so: Um als Beamter aufzusteigen, befördert zu werden, eine Lohnerhöhung zu bekommen, dazu musste man nichts besonderes leisten, man wurde mit dem Lebensalter oder mit Anzahl der Dienstjahre hoch gestuft, solange man keine silbernen Löffel klaute. Es ist kein Erfolg, als Beamter eine bestimmte Lohnhöhe im Lauf der Jahre zu erreichen, sondern der zwangsläufige Gang der Dinge.

Die Motivation, erfolgreich sein zu wollen, ist also nichts, was natürlicherweise zum Wesen des Menschen gehört, sondern es ist eine spezielle Eigenschaft einer bestimmten Form der menschlichen Gesellschaft, die nach bestimmten Kriterien funktioniert – Leistung, Konkurrenz, Erfolg. Eine andere Gesellschaft oder sogar Teile von dieser Gesellschaft, können ganz andere Regeln und Werte haben: wie die traditionellen Beamten, die dem Staat gegenüber loyal und unbestechlich sein müssen, und für so eine Funktion kann zuviel Ehrgeiz sogar schädlich sein.

Erfolg ist ursprünglich also etwas, das man nur von bestimmten Menschen erwartete, nicht von allen. Und das hatte seinen guten Grund, weil es nämlich nur bestimmte Tätigkeiten sind, die sich in Kategorien wie »Erfolg« messen lassen. Denn das setzt bestimmte Beurteilungsmaßstäbe voraus. Erfolg zu haben, das geht nämlich 1) nur bei Dingen, an denen man auch scheitern kann, und bei denen es 2) darauf ankommt, besser zu sein, als andere, denn wenn alle Schüler Einsen schreiben, ist keiner besonders erfolgreich. Es geht hier also um Tätigkeiten, die vor allem mit Konkurrenz zu tun haben: Handwerker, Händler, Unternehmer. Sie streiten sich um ein knappes Gut, der Erfolg des einen ist die Niederlage des anderen.

Die traditionellen Tätigkeiten einer Frau, wie übrigens auch die der Arbeiter am Fließband, waren dagegen keine, bei denen »Erfolg haben« ein sinnvolles Kriterium war. Man kann nicht erfolgreich putzen oder einen Kuchen backen, ein Haus in Ordnung halten oder Kranke pflegen. Man kann auch nicht erfolgreich ein Fließband bedienen. Man kann das alles gut oder schlecht tun, aber es macht eigentlich keinen Sinn, hier von Erfolg zu reden. Bei diesen Tätigkeiten kommt es nicht darauf an, Individualität zu beweisen, kreativ zu sein, sich zu verwirklichen oder von anderen abzuheben, sondern darauf, sie gut und zuverlässig zu erledigen. Nicht Genialität und kreative Gedankenblitze sind hier gefragt, sondern Ausdauer und Zuverlässigkeit. Wie liebevoll oder tüchtig eine Hausfrau ist, oder wie fleißig und zuverlässig ein Arbeiter, das misst sich nicht am Vergleich mit anderen Hausfrauen oder Arbeitern, sondern daran, ob die Arbeit gut getan wird. Oder anders gesagt: Während es nicht möglich ist, dass alle Unternehmer, die dasselbe Produkt herstellen, gleichermaßen erfolgreich sind (denn wenn der eine gute Umsätze macht, bedeutet es, dass der andere weniger verkauft), ist es durchaus vorstellbar, dass alle Hausfrauen und alle Arbeiter ihre Aufgaben zuverlässig und gut erledigen.

Aber heute, der Buchmarkt zeigt es, ist das Streben nach Erfolg ein Massenphänomen, das alle betrifft. Er wurde ausgedehnt auf alle Tätigkeiten, die man sich nur denken kann, auch auf solche, bei denen es Unsinn ist. Man kann heutzutage in der Tat erfolgreich Kinder erziehen, kann ein erfolgreicher Fließbandarbeiter sein, ja man kann sogar schon erfolgreich lieben oder Sex haben. Wir haben uns daran gewöhnt, von erfolgreichen Hausfrauen oder Müttern zu reden, oder von erfolgreichen Liebesbeziehungen.

Wenn ein Begriff wie »Erfolg« einen solchen Boom hat, dann führt das oft dazu, dass er unklar wird. Was könnte überhaupt eine sinnvolle Bedeutung des Wortes »Erfolg« sein? Ein Freund von mir hat dazu gesagt: »Erfolg ist, wenn ich etwas mache, und andere das dann gut finden und mir sagen«. Erfolg hätte immer zwei Seiten, eine individuelle (ich mache etwas), und eine gesellschaftliche (ich bekomme dafür Anerkennung). Mir hat diese These spontan eingeleuchtet

Es gibt allerdings auch Menschen, die meinen, eine der beiden Komponenten genügt. Zum Beispiel könnte man »Erfolg« auch Menschen zusprechen, die gesellschaftliche Anerkennung bekommen, ohne dass sie etwas dafür leisten. Das funktioniert so, dass sie es als Erfolg bezeichnen, wenn sie zum Beispiel einfach nur Glück hatten. Neulich diskutierten wir das Thema bei einem gemütlichen Abend unter Freundinnen bei mir zu Hause. Irgendwann stand eine Freundin von mir auf und fragte mich augenzwinkernd, was meinst du, Antje, könnte ich jetzt hinten in deiner Speisekammer erfolgreich Gummibärchen suchen? Ja, konnte sie, denn es waren zufällig Gummibärchen da. Es wäre aber doch wirklich albern, sie deshalb zu einer erfolgreichen Gummibärchensucherin zu ernennen, sie hatte schlicht und ergreifend das Glück, dass ich an diesem Tag welche eingekauft hatte.

Genauso absurd ist es, Leute, die zufällig die richtigen Aktien kauften und das Glück hatten, dass sie stiegen, erfolgreich zu nennen. Oder die, die in einer Partei aufgrund glücklicher Umstände »hochgespült« wurden. Weil sie zufällig zur rechten Zeit am rechten Ort waren. Viele derjenigen, die so ganz alltäglich erfolgreich sind, gehören auch dazu. Natürlich wird das im Einzelfall niemand zugeben, denn erfolgreiche Menschen wollen sich ja in ihrer Leistung sonnen, sie wollen niemandem dankbar sein müssen. Sie können ihren Wohlstand nur akzeptieren, wenn sie sich einreden, es sei kein Geschenk oder Zufall, sondern ihr persönlicher Verdienst. Aber ein Erfolg, der einem einfach so in den Schoß fällt, ist kein wirklicher Erfolg. Man kann dieses Glück durchaus genießen, und es sei jedem gegönnt, aber man sollte es sich nicht als Verdienst an die Brust heften.

Für diese Art Missverständnis von Erfolg sind, glaube ich, Männer anfälliger als Frauen. Frauen neigen nicht dazu, ihr Glück für Erfolg auszugeben, eher stellen sie im Gegenteil eher in Frage, ob sie das überhaupt verdient haben und spielen manchmal ihren Anteil an einem Erfolg noch herunter. Frauen neigen eher dazu, die andere Komponente, die individuelle, allein schon für ausreichend zu halten. Zum Beispiel sagten viele Freundinnen, die ich in der Vorbereitung dieses Vortrags fragte, was für sie Erfolg ist, spontan: Dass ich mit meinem Leben zufrieden bin. Erfolgreich, so meinen sie, wären diejenigen, denen es gelingt, ihre eigenen Ziele zu verwirklichen, egal ob sie von der Gesellschaft dafür gelobt werden. So schön ich das ja finde, denn es ist ein Zeichen dafür, dass es durchaus Menschen gibt, die zumindest versuchen, sich dem Erfolgsdruck widersetzen oder für sich selbst andere Maßstäbe setzen, aber das würde ich genauso wenig als Erfolg bezeichnen, wie andersrum das Glück. Persönliche Leistung ohne gesellschaftliche Anerkennung ist auch kein Erfolg.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass auch diese nur persönlichen Ziele manchmal sehr schwer zu erreichen sind. Wie etwa, wenn eine dicke Frau zehn Kilo abnimmt. Wenn ein Kind trotz Legasthenie ein gutes Abitur macht. Wenn jemand es schafft, mit zwanzig Bällen gleichzeitig zu jonglieren. Wenn jemand mit nur 500 Euro im Monat auskommt. Es gibt viele persönliche Ziele, die schwer zu erreichen sind, für die sich die Gesellschaft aber gar nicht interessiert und auch nicht interessieren muss. Natürlich ist man zurecht zufrieden, wenn man solche persönlichen Ziele verwirklicht, aber man ist deshalb nicht erfolgreich.

Aber es stimmt natürlich: Die Definition meines Freundes, dass Erfolg immer eine Verbindung ist aus beiden Komponenten – die persönliche, individuelle Leistung, die jemand erbracht hat, und die gesellschaftliche Anerkennung, die er oder sie dafür bekommt, hat ein Problem: Diese beiden Dinge driften heutzutage immer weiter auseinander. Es ist in gewisser Weise eine »altmodische« Definition. Denn als das Konzept des Erfolges entstand, also am Beginn der bürgerlichen Gesellschaft, so ungefähr im 18. oder 19. Jahrhundert, da hat man noch geglaubt, Erfolgs sei eine direkte Folge von persönlicher Leistung. Man ging davon aus, dass es allgemeine gesellschaftliche Werte gibt, Vorstellungen von gut und schlecht, von Qualität, die irgendwie objektiv seien, und dass es deshalb richtig ist, diejenigen, die durch persönliche Leistungen, Fähigkeiten, Fleiß und Disziplin diesen Vorstellungen am nächsten kamen, besonders zu belohnen. Ihnen hohe Gehälter zu bezahlen, Orden zu verleihen, kurz: Sie erfolgreich zu machen. Man dachte also: Erfolg ist die Belohnung für gute Arbeit.

Heute jedoch wissen wir, dass das nicht stimmt. Anerkennung und Qualität existieren irgendwie unabhängig von einander, sie fallen heutzutage immer mehr auseinander. Ob etwa ein Künstler oder eine Künstlerin erfolgreich ist, das hängt nicht davon ab, wie anstrengend oder schwierig es war, dieses Bild zu malen, oder wie gut ihre Bilder nach irgendwelchen objektiven Qualitätsmerkmalen sind. Und andererseits geschehen nicht nur bei den Frauen, auch sonst in der Gesellschaft viele Heldentaten unbemerkt, in kleinem Kreise sozusagen, bewirken dort zwar Zufriedenheit und Qualität, sind aber nicht, wie man so schön sagt, von Erfolg gekrönt, weil sie keine gesellschaftliche Anerkennung finden, obwohl sie es verdient hätten.

Die beiden Komponenten: gute Leistung und öffentliche Anerkennung fallen also auseinander, und zwar nicht mehr nur insgeheim, was die kritischen Geister, die die Leistungsgesellschaft schon immer hinterfragt haben, längst wussten, sondern, und das ist das Neue, ganz offen. Es ist eine Veränderung vor allem auf der symbolischen Ebene. Ein Bekannter von mir, der als Sozialarbeiter beschäftigt ist, hat mir neulich beim Bier erklärt, wie seine persönliche berufliche Strategie ist. Er nennt das »Eindrucksmanagement«. Er möchte so wenig wie möglich arbeiten, aber er möchte ein gewisses Maß an Anerkennung haben, weil er seine Stelle und das monatliche Gehalt behalten will. Seine Arbeit findet er eigentlich sinnlos – er betreut im Auftrag der Kommune arbeitslose Männer, die gar kein Interesse daran haben, betreut zu werden. Mein Bekannter selbst hat auch kein Interesse, sie zu betreuen, und deshalb lässt er es bleiben. Er konzentriert sich statt dessen ganz auf sein »Eindrucksmanagement«. Das heißt, er geht zu wichtigen Sitzungen, schreibt schöne und bunte Konzepte und präsentiert sie auf Power-Point-Folien, lädt seine Chefin zum Essen ein, kurz: Er macht Werbung in eigener Sache und einen guten Eindruck. Und er kommt damit durch, schon seit einigen Jahren.

Nun ist das sicherlich ein sehr krasser Fall, aber doch nicht so ganz ungewöhnlich. Denn wenn man sich die gängigen Ratgeberbücher zum Erfolg einmal anschaut, dann stehen da viele Tipps drin, die genau in diese Richtung gehen. Etwas überspitzt gesagt lautet ihr Rat, vor allem, wenn sie sich an Frauen wenden: Verschwendet weniger Zeit für eure eigentliche Arbeit und nehmt euch mehr Zeit für das Eindrucksmanagement. Delegiert die eigentliche Arbeit an eure Mitarbeiterinnen und reserviert für euch selbst nur die wirklich wichtigen Termine mit Geldgebern und Auftraggebern. Investiert Zeit und Energie in Kontaktpflege und Präsentation. Spart nicht an Eigenwerbung. Natürlich steht da normalerweise nicht, dass man, so wie mein Bekannter, mit der eigentlichen Arbeit ganz und gar aufhören soll, aber es ist klar: Gut zu sein, etwas zu leisten, seine Arbeit ordentlich zu machen, das genügt nicht, ja, es ist für den Erfolg eigentlich ganz unwichtig. Wichtiger ist, dass man sich auch »verkaufen« kann, davon hängt letztlich der Erfolg ab. Nicht das beste Produkt gewinnt, sondern dasjenige, für das die meiste Werbung gemacht wird.

Wie Sie vielleicht gemerkt haben, sind wir inzwischen bei meiner zweiten Geschichte: Dem Wunsch des 12-jährigen Mädchens, Superstar zu werden. Die Suche nach »Superstars« wird zwar in der öffentlichen Darstellung noch etwas mit »Leistung« verbrämt, aber in Wirklichkeit wissen alle Beteiligten, dass es um etwas anderes geht: Die jungen Mädchen und Jungen, die dort gecastet werden, werden nicht danach ausgesucht, wie gut sie singen können oder ob sie überhaupt musikalisch sind, sondern danach, wie gut sie sich vermarkten lassen. Dieses etwas lächerliche Superstar-Casting hat aber nicht nur Jugendlichen den Kopf verdreht, es ist inzwischen ein Grundmuster unserer Wirtschaft geworden. Es lautet: Ist die Marke erst einmal geschaffen, dann wird das Produkt selber ganz nebensächlich. Die Produkte sind gegenüber den Marken ganz austauschbar: Tschibo habe ich gehört, denkt ernsthaft darüber nach, den Verkauf von Kaffee einzustellen, weil man mit Unterwäsche mehr verdienen kann.

Die Bedeutung von Erfolg hat sich gegenüber der ursprünglichen Intention – Erfolg als Belohnung für gute Leistung – also umgekehrt: Es geht heute nicht mehr darum, mit dem, was man tut und was man für wichtig hält oder was man gut kann, erfolgreich zu sein, sondern darum, erfolgreich zu sein, mit was auch immer. Darum, Superstar zu werden eben. Tschibo kann eine noch so lange Tradition im Kaffee rösten haben, wenn man heute mit dem Verkauf von Nachthemden und Thermoskannen erfolgreicher ist, dann macht Tschibo eben das. Die Firma Jade in Frankfurt zum Beispiel stellte gute Produkte her und wirtschaftete profitabel. Man sollte meinen, das sei eine gute Basis für den Fortbestand eines Unternehmens. Aber das Gegenteil war in diesem Fall richtig. Denn wegen ihres Erfolgs wurde die Firma Jade von ihrem Konkurrenten, der Höchst AG, aufgekauft und dichtgemacht, Hunderte von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verloren ihren Arbeitsplatz. Etwas später wurde dann die gesamte Höchst AG zerschlagen, sie wurde aufgesplittert, verkauft, bis nichts mehr davon übrig war, und in Managerkreisen gilt das irgendwie als Erfolg, jedenfalls heimste der Vorstandsvorsitzende von Hoechst, Jürgen Dohrmann, dafür jede Menge Managerpreise ein.

Für viele Frauen ist diese Situation, dass man den Erfolg um des Erfolges willen anstreben soll und nicht als Belohnung für gute Arbeit bekommt, unbefriedigend. Denn ihnen liegt nicht so viel am Erfolg an sich, ihnen liegt vor allem daran, etwas zu bewirken. Neulich nahm ich an einem Lehrgang für Führungskräfte teil, und wir mussten dabei einen Fragebogen ausfüllen mit über 200 Fragen, nach dem unsere berufsbezogenen Einstellungen geprüft und klassifiziert wurden. Dabei wurde unter anderem unterschieden in Leistungswillen und Gestaltungswillen. Die Kategorie Leistungswillen prüfte, wie viel Ehrgeiz wir haben, wie viel Lust, besser zu sein, als andere, unsere Grenzen zu erreichen, unsere Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Und die Kategorie Gestaltungswillen prüfte, wie viel Ehrgeiz wir haben, bestimmte Dinge zu verändern, etwas zu bewirken, etwas zu erreichen. Und es kam heraus, dass bei allen Frauen, die da waren, der Gestaltungswille deutlich größer war, als der Leistungswille, und bei den Männern war es genau umgekehrt.

Dasselbe bekam ich auch in meinen privaten Gesprächen bestätigt. Fast alle Männer definierten Erfolg so, dass sie etwas schaffen, bewältigt haben, sich verbessert haben, andere übertroffen haben. Und die Frauen berichteten von Dingen, die sie bewirkt haben, wo sich aufgrund ihres Handelns etwas verändert hatte, wo ein Projekt gut gelang. Das heißt, Frauen legen tendenziell einen großen Wert darauf, dass ihre Arbeit einen Sinn macht, dass etwas Nützliches dabei heraus kommt.

Zumindest gilt das für die Frauen unserer Generation oder für ältere. Aber was ist mit den jungen Frauen, die Superstars sein wollen? Kürzlich sah ich auf einem von diesen Musiksendern ein Interview mit einer Anfang Zwanzigjährigen, die ihren Sex und ihren Körper zu Markte trägt, sie erzählte das ganz unbefangen, wie sie sich nackt fotografieren lässt und mit irgendwelchen Männern schläft und – na ja, was auch immer macht, Hauptsache, es macht sie erfolgreich. Für sie ist da gar nichts dabei, sich sinnfrei zu vermarkten, um »erfolgreich« zu sein. Heißt das nun aber, diese Mädchen hätten den Wunsch nach Qualität und nach Sinn ganz aufgegeben? Ich glaube eigentlich nicht. Aber, und das unterscheidet sie von vielen älteren Frauen: Sie wollen nicht darauf verzichten, »groß rauszukommen«, sie wollen ihren Anteil am gesellschaftlichen Kuchen bekommen – und sie gehen ganz selbstverständlich davon aus, dass ihnen das zusteht. Und vielleicht haben sie auch besser als die älteren Frauen erkannt, dass wir heute in anderen Zeiten leben. Dass Frauen sich heute nicht mehr so einfach auf die »Sinnhaftigkeit« ihres Tuns beschränken, wie früher, sondern dass sie sich die Frage ihrer öffentlichen Wirksamkeit stellen müssen.

Wenn wir uns noch mal kurz an den geschichtlichen Ausflug erinnern, den ich vorhin machte, dann war es für Frauen früher relativ einfach, ihren Gestaltungswillen auszuleben: Solange von ihnen nicht erwartet wurde, dass sie erfolgreich sind, also im Patriarchat, konnten sie sich ganz auf den Sinn und die Qualität ihrer Arbeit konzentrieren. Natürlich hatten sie Hindernisse zu überwinden, etwa diskriminierende Gesetze, aber was sie taten, folgte doch eben einem Ziel: Das zu tun, was sie für sinnvoll hielten. Dann erkämpften sie sich Zugang zu den Privilegien der Männer, zu deren Wertesystem, klagten den ihnen zustehenden Anteil am Erfolg, also an öffentlicher, gesellschaftlicher Anerkennung, ein. Und das hätte auch eigentlich kein Problem sein sollen, solange man nämlich dachte, dass gute Arbeit direkt etwas mit gesellschaftlicher Anerkennung zu tun hat. Und leisteten Frauen nicht gute Arbeit? Na also. Warum also sollten sie nicht erfolgreich sein?

Meine These ist, dass es heute nicht mehr Diskriminierung ist, wenn Frauen auf dieser Bühne keinen Erfolg haben, sondern dass die Ursache die fehlende Bereitschaft vieler Frauen ist, »Eindrucksmanagement« zu machen, wie mein Bekannter, der Sozialarbeiter. Frauen wollen etwas Sinnvolles gestalten, aber das führt eben nicht einfach so zu öffentlicher Anerkennung und Erfolg. Seit der Emanzipation erwartet man aber von den Frauen, dass sie öffentlich präsent und erfolgreich sind, und die Frauen erwarten sich auch selbst von sich. Was also tun? Die Ratgeber-Bücher zum Thema Erfolg empfehlen den Frauen einen Kompromiss: Sie sollen sich entscheiden, worauf sie ihren Schwerpunkt legen, ihre Zeit aufteilen. Wie viel Kraft wenden sie für »Eindrucksmanagement« auf? Und wie viel bleibt für die eigentliche Arbeit übrig? Die Palette möglicher Entscheidungen ist breit – von null bis hundert Prozent theoretisch. Viele Frauen überfordern sich auch: Sie wollen hundert Prozent gute Arbeit tun und hundert Prozent Eindrucksmanagement.

In der Tat gibt es inzwischen natürlich viele Frauen, die das »Eindrucksmanagement« gut beherrschen und damit auch Erfolg haben. Aber die meisten von ihnen sind damit nicht zufrieden, spüren durchaus, dass das ein schlechter Kompromiss ist, alten ihn jedoch für notwendig, weil sie nicht auf gesellschaftliche Anerkennung, Geld etc. verzichten wollen. Noch mehr Frauen sind aber andererseits im Zweifelsfall bereit, auf Erfolg zu verzichten, um den Sinn ihrer Tätigkeit zu retten. Sie bewerben sich nicht um höhere Posten, weil sie damit mehr Verwaltungskram zu tun bekommen und weniger bei dem bleiben, was sie eigentlich interessiert. Wenn sie vor der Alternative stehen: Sinn und Qualität kontra Erfolg und Anerkennung, dann wählen sie oft den Sinn und verzichten auf Anerkennung. Ich will das auch gar nicht kritisieren, im Einzelfall ist das sicher eine gute Haltung und ich selber habe sie auch oft. Aber ich bin ja keine Psychotherapeutin, sondern Philosophin, und daher geht es mir nicht um das Wohlergehen einer einzelnen Frau, sondern das, was italienische Philosophinnen die symbolische Ordnung nennen. Also die Denkstrukturen und Ideengebäude, in denen wir uns als Gesellschaft bewegen. Was im Einzelfall begründet sein kann und eine kluge Entscheidung, dass Frauen nämlich auf gesellschaftliche Anerkennung, zum Beispiel Geld und Macht, verzichten, um persönliche Zufriedenheit zu erzielen, das ist gesamtgesellschaftlich zu bedauern. Und deshalb gefällt mir der Wunsch der Mädchen, Superstars zu werden.

Gibt es wirklich keinen Ausweg aus diesem Dilemma?

Ich glaube schon. Und jetzt bin ich bei meiner dritten Geschichte, dem Gespräch mit meiner Kollegin über die Frauensynode in Barcelona. Denn ganz so steril, wie ich es hier geschildert habe, ist die Wirklichkeit gar nicht. Manchmal setzt sich Qualität doch durch, auch ohne Eindrucksmanagement. Manchmal geschieht Unverhofftes, Unvorhergesehenes. So Sachen wie der Friedensnobelpreis für die iranische Menschenrechtlerin Shirin Ebadi. Manchmal setzt sich Qualität doch durch. Diese Superstars, die nach reinen Marktstrategien auf die Bühne gestellt werden, sind meistens nur kurzzeitig erfolgreich. Sie schreiben nicht wirklich Geschichte. Marken sind zwar gut genug, um damit schnelles Geld zu verdienen, aber sie sind eben inhaltsleer, sie machen nicht zufrieden. Und diesen Mangel spüren viele Menschen. Weil es ein realer Mangel in der Welt ist. Und Mangel weckt Begehren, Begehren aber weckt Motivation, treibt uns an, tätig zu werden.

Es ist ein falscher Dualismus, eine falsche Gegenüberstellung, die öffentliche Anerkennung und die Qualität des eigenen Handelns als Alternativen zu sehen, die sich gegenseitig ausschließen. Dieser Dualismus besteht zwar tatsächlich in unserer Gesellschaft, er ist real – an den Beispielen, die ich genannt habe, lässt sich das ablesen – aber das kommt daher, dass wir uns die Welt und unser Handeln in der Welt ganz instrumentell vorstellen. Instrumentell heißt: Ich mache etwas, und es kommt folgerichtig diese oder jenes dabei heraus, nach dem Motto: Ursache und Wirkung. So wie es im Wort »Erfolg« ja auch schon drin steckt: Das Ergebnis ist eine »Folge« dessen, was getan wure. Ich mache meine Arbeit gut, verwende die richtigen Materialien, Baupläne und Instrumente – und heraus kommt ein guter Stuhl. Ich drucke einen guten Werbeprospekt und Plakate – und schon verkaufen sich meine Stühle.

Die meisten Tätigkeiten sind aber vom Charakter her ganz anders, zum Beispiel eben Kindererziehung, politisches Handeln, alle Sozialberufe, alle Dienstleistungsberufe, alle intellektuellen Berufe und so weiter. Bei diesen Tätigkeiten ist es eben nicht so, dass wir Erfolg und Qualität einfach »herstellen« können. Auch wenn der gegenwärtige Zeitgeist mit all seinen Ratgeberbüchern und Seminaren, uns das einreden will, es stimmt einfach nicht. Etwas anderes ist wahr: Es passiert dauernd Unvorhergesehenes. Wir tun etwas – und es kommt hinterher ganz etwas anderes dabei heraus, als wir es uns vorgestellt haben.

Zum Beispiel jetzt: Ich halte einen Vortrag. Natürlich möchte ich Ihnen etwas sagen. Natürlich habe ich etwas vor, will ich etwas erreichen. Das heißt: Ich will, dass Sie verstehen, was ich sage, dass Sie mir am Ende applaudieren, dass ich vielleicht sogar etwas bewirke. Man könnte auch sagen: Ich will mit dem, was ich hier tue, erfolgreich sein. Natürlich bin ich dabei auch instrumentell vorgegangen, ich habe mir Sachen aufgeschrieben, mich bemüht, Beispiele zu finden und kurze Sätze zu machen. Und nun sitze ich hier und lese diese Sätze vor. Aber ich weiß nicht, was dann damit passiert. Vielleicht gar nichts, weil Sie müde sind und nicht zuhören, weil es Sie nicht interessiert, weil ich mich unverständlich ausdrücke. Vielleicht aber auch nimmt eine von ihnen einen Satz, einen Halbsatz von mir auf, entwickelt ihn in ihrem Kopf weiter, geht nach Hause und reicht deshalb die Scheidung ein oder kündigt ihre Stelle. Ich weiß es nicht. Es liegt nicht allein an mir.

Genauso ist es mit der Tätigkeit von Bürgerinitiativen, Politikern, Lehrerinnen, Künstlerinnen, Werbeleuten, Sozialarbeiterinnen, in fast jedem Beruf. Bei all diesen Tätigkeiten besteht dieser Dualismus – hier die Qualität der Arbeit und da die Anerkennung von anderen – nicht. Denn worum es geht, ist etwas anderes als Herstellen: Es geht um Vermittlung. Statt einer Herstellungslogik müssen wir daher sozusagen eine Vermittlungslogik anwenden, um zu verstehen, was passiert.

In der Herstellungslogik ist Erfolg, wenn das Ding, das ich herstellen wollte, am Ende so geworden ist, wie ich es mir vorstellte. Inder Vermittlungslogik ist Erfolg oder eher: ein guter Ausgang, wenn die Vermittlung gelingt zwischen mir, meiner Arbeit, meinem Sinn, und der Welt um mich herum. Das führt zu Qualität und zu gesellschaftlicher Anerkennung gleichermaßen. Aber ob diese Vermittlung gelingt, das liegt eben nicht, wie in bei instrumentellen Tätigkeiten des Herstellens, allein an mir, sondern an vielen Faktoren, auf die ich gar keinen Einfluss habe. Die Vermittlung bringt mein persönliches Handeln auf der einen Seite und die öffentliche Anerkennung auf der anderen auf eine Weise zusammen, die beides nicht als Gegensatz begreift, aber auch nicht in einem Verhältnis von Ursache und Wirkung, sondern als zwei Seiten einer Medaille, die untrennbar zusammengehören, je, die letztlich eins sind. Wie meine ich das?

Vielleicht ist auch hier ein Bild hilfreich. In der Herstellungslogik bin ich ein Handwerker, der mit Werkzeug und Material ein Produkt herstellt. In der Vermittlungslogik befinde ich mich eher in einem Spiel, das zwar gewisse Regeln hat, bei dem ich aber nur eine Mitspielerinnen unter vielen bin. Ich kann natürlich Strategien anwenden und logisch nachdenken und so weiter, aber den Spielverlauf vorher bestimmen, das kann ich nicht. Eine Politikerin, die sich mit ihren Ideen durchsetzt oder auch nicht, eine Angestellte, die ihren Chef von ihrem Projekt überzeugen kann oder auch nicht, eine Rednerin, die viel Applaus bekommt oder auch gar keinen, eine Journalistin, deren Artikel gedruckt werden oder auch nicht – bei solchen Erfolgen oder Misserfolgen ist es zu kurz gegriffen, die Schuld oder den Verdienst allein in der betreffenden Person zu sehen. Es sind immer auch die Umstände, die hier eine Rolle spielen. Natürlich, man kann sich bis zu einem gewissen Grad ein Handwerkszeug zulegen, die Politikerin könnte verständlichere Reden halten, die Journalistin ihre Artikel besser formulieren, die Projektleiterin einen Kurs in Power-Point machen. Eine gewisse Herstellungs-Komponente, sag ich mal, ist immer dabei. Aber auch eine perfekte Präsentation garantiert keinen Erfolg, und andererseits kann eine gestammelte Rede beim richtigen Publikum einschlagen und stehende Ovationen hervorrufen.

Natürlich wünsche ich mir immer, dass das, was ich tue, gelingt, dass ich »Erfolg« habe, wie man so sagt. Auch ich möchte gerne ein Superstar sein. Aber ich kann es nicht herstellen. Ich kann mich nur auf das Spiel einlassen, oder nicht. Das ist die Wahl, die ich habe. Wenn ich mich einlasse, dann gebe ich mir Mühe, ich tue, was ich kann, ohne jedoch von meinem Begehren nach Sinn zu lassen. Denn dieses ist es, was mich motiviert und antreibt. Aber nicht, um damit allein im stillen Kämmerlein zu bleiben, sondern um es raus in die Welt zu tragen. In diesem Sinne würde ich mir wünschen, dass mehr Frauen nach Erfolg streben – dass sie sich auf dieses Spiel einlassen, das Spiel mit der Öffentlichkeit. Denn sich auf dieses Spiel einzulassen muss eben nicht unbedingt ein fauler Kompromiss sein. Es heißt nicht unbedingt, dass sie abwägen müssen zwischen guter Arbeit einerseits und Werbung in eigener Sache andererseits. Denn wenn man auf dem Standpunkt der Vermittlungslogik steht, dann gehört beides zusammen. Es gibt keine gute Arbeit ohne funktionierende Vermittlung. Und es gibt keine Vermittlung, ohne etwas mit Qualität und Sinn, das es Wert ist, vermittelt zu werden.

Ich kann also versuchen, erfolgreich zu sein, indem ich immer wieder nach neuen Vermittlungen suche. Nach denen, die in einer jeweiligen Situation notwendig sind und funktionieren können. Denn ich will das, was mir am Herzen liegt, was ich wichtig finde, auch gesellschaftlich zu vermitteln. Deshalb komme ich hier zu ihnen und halte Vorträge. Deshalb setze ich mich mit Kritik auseinander, deshalb versuche ich, einen Verlag für meine Bücher zu finden. Ich will erfolgreich sein. Dafür mache ich durchaus Kompromisse – versuche zum Beispiel, komplexe philosophische Gedankengänge möglichst verständlich auszudrücken, womit sie aber immer etwas verwässert werden. Oder ich gebe Interviews im Radio, auch auf die Gefahr hin, dass meine Aussagen dabei verdreht werden oder ich mich nicht gut ausdrücke. Ich müsste das nicht machen. Zum Beispiel kenne ich einige Feministinnen, Anarchistinnen, die schon lange und intensiv gemeinsam politisch diskutieren, nachdenken, arbeiten und deren Gedanken und Ergebnisse bestimmt mindestens so klug sind, wie meine. Aber sie unternehmen keine Anstrengungen, damit in die Welt zu treten. Sie sind nicht erfolgreich denn ihnen fehlt die zweite Komponente: Sie veröffentlichen keine Bücher, werden nicht zu Vorträgen eingeladen und so weiter. Manchmal glaube ich, sie haben so ein Bild im Kopf nach dem Motto: Hier wir mit unseren tollen Ideen, und da die böse Welt, die uns nicht versteht oder die uns sogar bekämpft. Aber dieses Bild ist falsch, wenn wir verstehen, dass die Vermittlung das Eigentliche ist, um das es geht.

Frauen sollten nicht auf gesellschaftliche Anerkennung verzichten – nicht in ihrem eigenen Interesse, sondern im Interesse der Welt. Sie sollten ihre Ideen, um ihre Wünsche, ihr Begehren, ihr Wissen zur Welt zu bringen, es dort zu vermitteln. Nur für sich allein recht zu haben, bringt nichts. Noch ein weiterer Grund kommt hinzu: Wir brauchen ja auch ein Kriterium: Denn wer beurteilt eigentlich die Qualität unserer Arbeit, ob sie wirklich einen Sinn macht, wenn wir sie gar nicht mehr der Kritik der anderen, der Gesellschaft, aussetzen? Die öffentliche Anerkennung gering zu schätzen, das kann auch eine faule Ausrede sein, weil wir nicht wahrhaben wollen, dass das, was wir tun, gar nicht wirklich gut und sinnvoll ist.

Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und sagen: Die Vermittlung selbst ist Quelle der Erkenntnis. Zum Beispiel dieser Vortrag, den ich hier halte, der ja eben ein Versuch der Vermittlung ist. Es ist nun nicht so, dass ich diese Ideen einfach habe und Sie sozusagen die Empfängerinnen sind, denen ich sie vortrage. In Wirklichkeit war es sogar andersrum: Nur weil ich hierher eingeladen wurde, habe ich mir diese Gedanken überhaupt erst gemacht. Es ist ein Wechselspiel. Beim Versuch, meine Ideen zu vermitteln, verändern sie sich, werden ausgefeilter, neue Fragestellungen kommen hinzu. Ohne die Tätigkeit der Vermittlung hätte ich vermutlich überhaupt keine Ideen. Das Streben nach Erfolg in unserer Arbeit oder besser: der Wunsch, sie möge gelingen, ist notwendig, weil dieses Streben uns nach Vermittlungen suchen lässt. Und nur aus der Vermittlung entsteht Qualität.

Erfolg ist dann aber nicht eine Folge unserer Leistung, kein Verdienst, sondern nichts anderes als ein Zeichen dafür, dass die Vermittlung gelungen ist. Das hängt immer von beiden Seiten und von der Situation ab. Ich muss meinen Teil dazu beitragen, muss mich anstrengen, aber ich muss mich auch dem offenen Spiel ausliefern, dass die andere Seite etwas dazu beiträgt, und somit das Risiko eingehen, dass ich es am Ende bin, die sich verändert.

Das heißt aber andersrum auch, dass die Frage nach Erfolg von beiden Seiten gedacht werden muss. Es geht nicht nur darum, wie ich erfolgreich sein kann, sondern auch um die Frage: Wen mache ich erfolgreich? Wie reagiere ich auf das, was andere in die Welt setzen? Wie trage ich dazu bei, dieses oder jenes erfolgreich zu machen? Auch von dieser Seite sind wir Mitspielerinnen – achten wir also darauf.

Damit bin ich wieder bei meinem Beispiel von der Frauensynode: Ob diese Bewegung religiöser Frauen ein Erfolg ist oder nicht, das hängt nicht nur davon ab, was dort in Barcelona passiert ist, wie gut die Organisation und die Pressearbeit war. Sondern es hängt auch davon ab, welche Bedeutung ich dieser Synode gebe. Und ich sage: Diese Synode war sehr viel bedeutender als alle päpstlichen oder kirchenoffiziellen Verlautbarungen zusammen. Die ganzen Werbekampagnen sind nicht so übermächtig wie sie scheinen. Wir müssen nicht mit ihnen konkurrieren. Denn sie gehen instrumentell vor, ihnen liegt nicht wirklich an einer Vermittlung. Sie führen zwar zu kurzfristiger Anerkennung, man kann auch mit ihnen Geld verdienen, aber sie machen nicht wirklich zufrieden und sie bringen vor allem nichts Neues in die Welt, sie haben nichts mit unserem Begehren zu tun.

Das aber sind die Vorteile, wenn man nach der Vermittlungslogik an den Erfolg herangeht: Dann haben wir die Qualität auf unserer Seite, die Qualität und den Sinn, die beide erst in der Vermittlung überhaupt entstehen. Das bedeutet auch, dass wir den Maßstab für Erfolg neu denken. Noch immer stimmt die Definition meines Freundes: Erfolg ist, wenn ich etwas tue, und andere das gut finden und mir zeigen. Aber sie hat nun einen anderen Sinn bekommen. Es geht nicht nur um persönliche Zufriedenheit und Selbstverwirklichung auf der einen und um Geld und Anerkennung auf der anderen Seite, (was eben leicht und heutzutage immer mehr auseinander driftet), sondern darum, dass wir mit unseren Wünschen, unserem Begehren, dem, was wir können und was wir für richtig halten, hinaus in die Welt gehen, dies alles der Welt schenken. Es mit anderen teilen, es anderen vermitteln. Ich bin überzeugt, es gibt sehr viele Menschen, die das zu schätzen wissen.


Vortrag im Kulturcafé Gross-Gerau, 18.9.2002 (in einer etwas anderen Version) und am 31.10.2003 in der Cusanus-Akademie in Brixen/Südtirol